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Mein WENDEHerbst: Landesverrat?

JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.

JAHRE

MAUERFALL

Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Steffen ’Dibbe’ Richter. Der 37-Jährige arbeitet heute in einem Potsdamer Logistikunternehmen.

Von der Öffnung der DDR-Grenzen erfuhr Steffen Richter erst am Tag danach: Am Morgen des 10. November dachte der damals 18-Jährige zunächst nur an den Kuchen, den er zwei Tage nach seinem Geburtstag für seine Klasse gebacken hatte. Doch als er in seine Schule in Senftenberg kam, hörte er, wie zwei Mitschüler über ihr Besichtigungsprogramm in West-Berlin sprachen: Einen Besuch in einem Sex-Shop stand zum Beispiel zur Debatte. Steffen Richter, der in dieser Zeit trotz der vielen Demonstrationen daran glaubte, dass der Sozialismus noch eine Chance hat, konnte solchen Reise-Ideen nichts abgewinnen. „Wollt ihr unser Land verraten?“, platzte es aus ihm heraus, erinnert er sich noch heute. Seine Mitschüler lachten ihn aus. Bis auf ihn hatten offenbar schon alle die Nachricht von der Grenzöffnung gehört. Im Rückblick wundert sich Steffen Richter noch immer über seine Worte: „Da hat wahrscheinlich die Erziehung zum guten DDR-Bürger gewirkt.“ Dazu hätte er viele Informationen über die DDR, etwa zur Staatssicherheit, damals einfach nicht gewusst, erst später davon erfahren. „Ich fühlte mich ja wohl“, sagt Steffen Richter. Der Reflex, sich nicht über die Grenzöffnung zu freuen, ließ bei dem jungen Mann jedoch sehr schnell nach. Denn in kaufbare Nähe rückten jetzt all die Alben von derbe klingenden Metal-Bands wie Napalm Death oder Entombed, die Steffen Richter schon damals gern hörte – aber deren Platten nicht in der DDR erhältlich waren. Zweieinhalb Wochen nach dem Mauerfall schließlich reiste Steffen Richter nach West-Berlin, die 100 Euro Begrüßungsgeld waren schnell investiert in Vinyl. „Ich war erschlagen von dem riesigen Angebot, dass es von meiner Musik gab.“HK

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