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Zwarter Piet in Gouda. In Potsdam solle es in diesem Jahr zwei Varianten davon geben.

© dpa

Landeshauptstadt: Kulturkampf um den „Zwarten Piet“

Wie sich eine Pressekonferenz zum Potsdamer Sinterklaas-Fest zum Streitgespräch entwickelte

Innenstadt – Hans Göbel ringt um Worte, hat Tränen in den Augen. „Eine Diskriminierung würden wir nie wollen“, sagt der langjährige Vorsitzende des Fördervereins zur Pflege Niederländischer Kultur in Potsdam. Am gestrigen Mittwoch hat Göbel zur Pressekonferenz eingeladen: Er wollte sich vor Journalisten zum Streit um das anstehende Sinterklaas-Fest und den Vorwürfen äußern, durch die schwarz geschminkte Figur des Nikolaus-Helfers „Zwarter Piet“ würden rassistische Stereotype verbreitet. Der Termin endet in einem heftigen Streit.

Zunächst spricht Göbel: etwa von Einzelpersonen und Gruppen, die auf den Verein zugekommen seien, weil sie die Rolle des „Zwarten Piet“ als entwürdigend ansehen. „Das hat uns total überrascht.“ Man sehe das überhaupt nicht so. „Und es ist auch nicht unsere Aufgabe, Traditionen der Holländer umzugestalten.“ Gleichwohl habe man sich entschlossen, „im Sinne der Toleranz und des städtischen Friedens“ den Piet zum Fest am 13. und 14. Dezember in zwei Varianten zu präsentieren: traditionell mit Ohrringen und geschminkten Lippen, aber auch alternativ nur mit rußgeschwärzten Gesichtern – „da die Pieten in den Niederlanden ihre Geschenke durch viele Schornsteine in die Stuben brachten“, sagt Göbel. Seine Erklärung endet: „Wir hoffen auf die Toleranz der Kritiker.“

Im Publikum sitzt Nadja Hitzel-Abdelhamid von der Antidiskriminierungsstelle Brandenburg des Potsdamer Vereins Opferperspektive. Ihr reichen die Erklärungen Göbels nicht. Es gebe schwarze Menschen in Potsdam, die sich durch die Darstellung des „Zwarten Piet“ beleidigt fühlten, sagt Hitzel-Abdelhamid. Und fragt: „Warum wollen sie mit einer so gut gemeinten Veranstaltung Menschen verletzen?“ Der „Zwarte Piet“ trage zum gesellschaftlichen Rassismus bei. Denn es würden rassistische Bilder reproduziert und den anwesenden Kindern in den Kopf gesetzt: „Warum muss das sein?“

Goebel schüttelt den Kopf. Seit rund 20 Jahren organisiert er das Fest mit Zehntausenden Besuchern. Im vergangenen Jahr musste es noch aus finanziellen und organisatorischen Gründen abgesagt werden, in diesem Jahr hatte der ehrenamtliche Verein es noch einmal wissen wollen. Und nun das. „Das sind Befindlichkeiten.“

Beim ersten Sinterklaas 1996 hätten sich Kinder noch vor dem „Zwarten Piet“ erschreckt, weil kaum Afrikaner in Potsdam gelebt hätten. „Jetzt gibt es diese Berührungsängste nicht mehr.“ Zudem stehe es dem Verein nicht zu, den nach Potsdam kommenden holländischen Händlern und Künstlern vorzuschreiben, wie sie das Fest feiern sollten.

Dazu Hitzel-Abdelhamid: „Aber Sie werden mit dem Fest doch hier in Potsdam wirksam.“ Goebel: „Waren sie mal bei einem Sinterklaas-Fest?“ Hitzel-Abdelhamid: „Ich muss das Fest dieses Jahr aus beruflichen Gründen besuchen und werde das mit Bauchschmerzen tun.“

Auch Hannes Püschel greift ein, Ex-Stadtverordneter der linken Fraktion Die Andere und auch beim Opferperspektive-Verein angestellt. Er fragt, warum der Verein nicht befugt sei, dieses Element holländischer Kultur anders auszulegen, zumal es kein zentrales sei. Göbel sagt, man sei nur ein Kulturverein – eine andere Rolle des „Zwarten Piet“ müsse in Holland wachsen. Zugleich appelliert er, ein störungsfreies Fest zu ermöglichen.

Ob es Gegenaktionen gibt, ist derzeit unklar. Auf Nachfrage erklärt Hitzel-Abdelhamid den PNN, sie habe zumindest von solchen Überlegungen gehört. Wie berichtet wird auch in Holland heftig über das Sinterklaas-Fest debattiert. Bei einer Nikolaus-Prozession in Gouda wurden zuletzt 90 Gegner und Anhänger des „Zwarten Piet“ festgenommen. Zugleich hat eine Umfrage ergeben, dass 92 Prozent aller Niederländer an der Traditionsfigur festhalten wollen.

Nach der zum Streitgespräch ausgearteten Pressekonferenz legt der Verein Opferperspektive noch einmal nach. In einer am Donnerstagabend im Internet verbreiteten Erklärung heißt es: „Wir fordern die Stadtverwaltung dazu auf, dem Veranstalter die Auflage zu machen, Darstellungen, die Menschen entwürdigen und die Rassismus befördern, zu unterlassen.“ Erinnert wird daran, dass die Stadt Potsdam seit 2006 Mitglied in der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus ist.

Doch die Stadtverwaltung habe genehmigungsrechtlich keine Möglichkeit, den Auftritt der Pieten zu untersagen, sagt Stadtsprecher Markus Klier. Unter anderem beruft er sich auf ein Urteil des höchsten Verwaltungsgerichts in Den Haag vor wenigen Tagen: Trotz aller Rassismus-Vorwürfe dürfen die Pieten demnach weiter mit Sinterklaas durch Städte und Dörfer ziehen. Klier: „Ein Bürgermeister hat nicht das Recht, das Fest wegen möglicher Diskriminierung zu verbieten.“

Zugleich verweist Klier darauf, dass in einigen holländischen Städten die Pieten in diesem Jahr bunt geschminkt sein würden. „Diesem von der Stadt unterstützten Vorschlag sind die Veranstalter leider nicht in vollem Umfang gefolgt.“ Mit Blick auf die Gegner der schwarz geschminkten Figur sagt Klier aber auch: „Wir als Stadt wünschen uns einen toleranten Umgang mit unseren Gästen aus den Niederlanden und ein friedliches Familienfest.“

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