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Geflüchtete in Potsdam: Krieg und Frieden

Wie nehmen geflüchtete Menschen aus Kriegsgebieten Potsdam wahr? Geflüchtete zeigen im Rathaus Fotografien über ihre neue Heimat Potsdam.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Wie nehmen geflüchtete Menschen aus Kriegsgebieten Potsdam wahr? Eine Stadt, in der die Fassaden glänzen. Ohne Einschusslöcher, ohne die tägliche Zerstörung des Kampfes. „Friedlich“, sagt Lava Hesso aus Syrien. „Und wunderschön.“ Sie ist eine von sieben Teilnehmern des Workshops „On the move“ vom Berliner Verein Social Visions, in dem junge Potsdamer Geflüchtete sich und ihre neue Heimat durch Fotos neu entdeckten. Eine Auswahl der Ergebnisse ist noch bis zum 10. November in der zweiten Etage des Potsdamer Rathauses zu sehen.

Drei Bilder stammen von Lava Hesso. Eines davon fällt besonders auf: Die Aufnahme einer Baumgruppe mit kahlen Ästen. Der Himmel ist blaugrau, die Stimmung märchenhaft still. Das Bild ist in der Nähe des Potsdamer Rathauses aufgenommen, wie Hesso am Dienstagnachmittag bei der Ausstellungseröffnung im Rahmen der Interkulturellen Woche erzählt. „Ich mag die Natur“, begründet sie die Motivauswahl. Dann überlegt sie kurz und fügt hinzu: „Mehr als Menschen.“ Die 20-Jährige ist Kurdin, mit ihrer Familie floh sie vor Krieg und Verfolgung aus Syrien. „Seit ich Kind bin, wollte ich Journalistin werden“, sagt sie. „Um meinen Leuten zu helfen, ihnen eine Stimme zu geben.“ In Syrien hat sie die elfte Klasse beendet, jetzt möchte sie ihr Abitur absolvieren, gerne auch ein Studium. Der Wunsch, Journalistin zu werden, ist geblieben. „Aber ich möchte nicht mehr über den Krieg schreiben“, so Hesso. „Nur noch über alle schönen Dinge und über die Liebe.“ Ihre Bilder spiegeln diesen Wunsch wider. Insbesondere ein Foto einer Kette mit Herzanhänger. Ihr Freund habe ihr die zum zweiten Jahrestag geschenkt, erzählt sie. Auch er hat an dem Workshop teilgenommen, er sei der Einzige, den sie vorher gekannt habe.

„Hier gibt es nur schöne Dinge, das normale Leben“

Wie Anja Pietsch, die Projektleiterin von „On the move“ erklärt, sei ein Ziel des Workshops auch gewesen, durch die Fotografie Vertrauen zu unbekannten Menschen aufzubauen. Sich auszutauschen, aber auch sich selbst zu entdecken. Etwa durch die Form des Selbstportraits. Ein sehr besonderes stammt von Morad Al-Deeb, der sich durch einen mit Tüchern behangenen Spiegel abgelichtet hat, das Gesicht durch die Kamera verdeckt. Der 26-Jährige stammt auch aus Syrien, war dort politisch aktiv und saß deswegen im Gefängnis. „Ich habe in meiner Heimat den Krieg dokumentiert, auch sterbende Menschen fotografiert“, erzählt er. „Mit Fotos und mit Kurzfilmen.“ Als er in Potsdam ankam, wusste er nicht, was er hier fotografieren sollte. „Hier gibt es nur schöne Dinge, das normale Leben“, so Al-Deeb.

Durch den Workshop habe er dennoch einen Zugang zu der Stadt gefunden. Seine Aufnahmen von verschwommenen Straßenlichtern in der Zeppelinstraße erinnern ihn irgendwie auch an die alte Heimat, wie er sagt. Auch wenn er gerne in Potsdam bleiben möchte – über die Zustände in Syrien möchte er weiter berichten. Am liebsten als Dokumentarfilmer. Zurzeit bemüht er sich um ein Filmstudium – auch in Babelsberg. „Für mich ist der Film ein gutes Medium, um mit Menschen zu kommunizieren“, sagt er. „Egal, ob über glänzende Fassaden oder Krieg.“ 

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