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Katja Kessler.

© Andreas Klaer

Ratgeber von Diekmann-Ehefrau: Kraft des Sperrmülls

„Das muss Liebe sein“ heißt ein neuer Eheratgeber von Katja Kessler. Sie ist seit 14 Jahren mit „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann verheiratet und wohnt in Potsdam.

Überraschung: Zum Treffen auf einen Kaffee kommt Katja Kessler nicht allein. Sie habe ihren „Manager“ mitgebracht, sagt sie. Der „Manager“ ist zehn Jahre alt und heißt Kolja, gibt höflich die Hand und bestellt souverän Flammkuchen mit extra Zwiebeln. „Damit hab ich ihn geködert“, sagt Katja Kessler.

Der Auftritt passt zu ihr, auch wenn es auf den ersten Blick eine völlig andere Frau Kessler zu sein scheint als bei offiziellen Roter-Teppich-Auftritten. An diesem Nachmittag ist sie eine ganz normale Frau zwischen Beruf und Familie. Nicht immer lässt sich das eindeutig trennen. „Ich arbeite im Homeoffice. Das ist toll. Ich bin schnell da. Die Kinder aber eben auch“, sagt sie. Gerade hat sie ihr sechstes Buch geschrieben, wenn man die Dieter-Bohlen-Biografie von 2002 vernachlässigt. Nach Büchern über die Erziehung von Ehemännern und das Muttersein jetzt eine Hymne auf die Ehe. „Das muss Liebe sein. 54 ½ Pflegetipps für die glückliche Ehe“ landete sofort nach Erscheinen vor drei Wochen auf der „Spiegel“- Bestsellerliste. Die Autorin ist begeistert.

Gibt es einen Impfstoff gegen Scheidung?

Warum hat sie das Buch geschrieben? „Irgendwie habe ich das Gefühl, eine Art Scheidungsvirus geht um. Als Ehefrau und Journalistin hab ich mich gefragt: Gibt es einen Impfstoff gegen Scheidung?“ Es wurde ein Buch, das zeigt, dass man lustig und fundiert schreiben kann, humorvoll, wissenschaftlich und unterhaltsam. Ganz eindeutig kommt dieses Mal die promovierte Zahnmedizinerin besonders durch. Statistiken und Studien lesen kann Katja Kessler. Die Bibliografie listet zahlreiche wissenschaftliche Werke.

Dabei wollte sie gar nicht so tief schürfen. Nur ein paar Tipps zusammentragen und aus ihrer Perspektive als langjährige Ehefrau schauen: Stimmt das alles überhaupt? Am Ende wurden es fast 350 Seiten, durchsetzt mit wunderbar witzigen Illustrationen von Peter Böhling. 54 ½ Kapitel über das Kennenlernen und die Entscheidungsfindung zu heiraten, über verschiedene Formen ehelichen Zusammenlebens, über tradierte und neue Rollenmuster und vor allem die in unseren Köpfen. Über den Sinn und Unsinn von Eheverträgen, über Schwiegermütter, Kinder, Hausarbeit, die Sockenschublade und die Frage, ob er die Klotür auflässt oder nicht. Es geht um Geheimnisse, Geliebte, Ex-Geliebte. Um Sex und Hormone. Das Opium der Verliebten. „Es gibt so viele Dinge, die uns steuern, von denen wir keine Ahnung haben. Das fasziniert mich.“

Ehemann Diekmann durfte das Buch vorab lesen

Es ist – wie ihre vorherigen auch – ein sehr persönliches Buch. Auch Ehemann Kai Diekmann kommt natürlich darin vor. Er hat das Buch vorher lesen dürfen. Und habe nichts zu beanstanden gehabt, sagt die Autorin. Der Leser erfährt: K. D. telefoniert zu viel, ist nicht gerade ein Blitzmerker, wenn es um das Sehen von Hausarbeit geht. Und er hatte, zum Zeitpunkt des Einzugs der aktuellen Ehefrau, neben Biedermeiermöbeln und balinesischen Holzfrüchten noch Servietten mit dem Monogramm der Ex im Haus. „Dass ich ihn trotzdem geheiratet habe, zeigt, wie sehr ich an die Kraft des Sperrmülls, – äh, der Liebe, glaube“, schreibt sie.

Da ist sie, die Ironie der Katja Kessler. Die gern mal zart auf dem Rücken des Ehemannes ausgelassen wird. „Bitte bedenken Sie: Natürlich ist immer Ihr Mann schuld!“ steht gefühlt in jedem dritten Kapitel. Das ist – natürlich – nicht ganz ernst gemeint. „Keiner ist Opfer. Es sind immer beide Täter.“ Aber es helfe beim Problemlösen, wenn man sie nicht bierernst angeht. Und dass eine langjährige eheliche Beziehung kein Ponyhof ist, daran lässt die Autorin keine Zweifel. Mann und Frau haben es durchaus schwer, so lebenslänglich. Es ist biologisch auch gar nicht unbedingt sinnvoll, zumindest legen das die Tierstudien nahe, die Katja Kessler für ihr Buch heranzieht. Aber – es ist machbar. Und sogar wunderschön, schwärmt sie. Wenn man es schafft, den anderen zu verstehen, den Mann zu dechiffrieren. Und dabei auch auf sich selbst zu achten. „Man muss sich genügend Glück für sich selbst nehmen, ohne das große gemeinsame Glück zu verlieren.“

Geschrieben hat Kessler das Buch auf Usedom

Glück war für Katja Kessler zum Beispiel ein Aufenthalt auf Usedom, zwei Wochen nur für sich allein, nur zum Schreiben. Pension statt Homeoffice. Der wirkliche Blick von außen. „Wenn ich zu Hause meinen Mann anrief, schrieen im Hintergrund die Kinder. Willkommen in meiner Welt. Und dann auflegen zu können, und es ist Ruhe – herrlich.“

Natürlich will sie nicht blauäugig erscheinen. „Man muss auch über das Scheitern, über Scheidung reden können“, sagt sie. Ihr Rat: „Nach dem Hinfallen aufstehen, Knie abputzen, Krönchen zurechtrücken und weiter marschieren.“ Beim Lesen zwischen den Zeilen befürchtet man, dass die Autorin schon oft ihre Knie abgeputzt hat. So ein Eheleben mit vier Kindern, Kaninchen, Kopfläusen (manchmal) ist anstrengend. Der Mann fährt zur Arbeit, ist deutlich sichtbar abwesend. Katja Kessler schreibt viel, außer Bücher noch Kolumnen und Fernsehbeiträge, promotet sich selbst, zwischen Elternabend und Kindergeburtstag. „Ich arbeite nicht trotz, sondern wegen der Kinder“, sagt sie. Sie sollen sehen, dass es geht. Der „Manager“ findet jedenfalls, die Eltern führen eine glückliche Ehe. „Weil sie sich so oft küssen“, sagt er.

Das Buch eignet sich als Ratgeber, Therapie, Trost - oder Unterhaltung

Und was, wenn eines Tages doch alles in die Brüche geht, ist das nicht ein immenser Druck für eine Eheratgeberautorin? Das findet sie nicht, sagt sei. Es gebe keine Statistik, die beweisen könnte, dass es zwischen Bücher schreiben und sich scheiden lassen einen Zusammenhang geben könnte.

Eine Garantie – auch für ihre Leserinnen – gibt es freilich nirgendwo. Und wer ihre „Pflegetipps“ anwenden will, muss zunächst etwas haben, was sich pflegen lässt. Man kann das Buch also als Ratgeber, zur Therapie oder als Trost lesen, wenn man alles versemmelt hat. Oder einfach zur Unterhaltung. Wobei sie von Testleserinnen gehört hat, dass Männer das Buch nicht ganz so amüsant finden wie Frauen. Aber das war wohl zu erwarten. Im Abspann des Buches bedankt sich Katja Kessler bei ihren Ex-Partnern, ohne die sie ihren Mann nie kennengelernt hätte. „Großartig, wenn man die richtigen Fehler macht.“

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