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Kinderbetreuung. Ingrid Stahl ist seit zehn Jahren Tagesmutter in Potsdam.

©  A.Klaer

Landeshauptstadt: Kein Notnagel

Ingrid Stahl arbeitet seit zehn Jahren als Tagesmutter in Potsdam. Dafür wird sie ausgezeichnet

Am Montagvormittag stehen im Flur vier paar kleine Schuhe. Sie gehören den Kindern, die Ingrid Stahl in einem Haus in der Prager Straße betreut. Sie ist eine von 70 Tagesmüttern, die in der Landeshauptstadt derzeit insgesamt 295 Kinder betreuen. Und Ingrid Stahl ist schon lange im Geschäft. Vor zehn Jahren hat sie angefangen, Kinder im Alter bis zu drei Jahren in ihrem Haus zu betreuen. Wie viele Kinder in dieser Zeit bei ihr waren, kann sie heute nicht mehr sagen. Zu vielen gebe es aber noch Kontakt, zumal die Familien meist in der Nähe wohnen. Von zwei ihrer derzeitigen Schützlinge hat sie schon die älteren Geschwister betreut.

Die drei Mädchen und ein Junge zwischen einem und anderthalb Jahren fühlen sich bei Ingrid Stahl sichtlich wohl. Ein weiterer kleiner Junge wird erst später am Vormittag von seiner Mutter gebracht. „Die Gruppe ist gerade sehr klein“, sagt Stahl. Seit September sind alle fünf regelmäßig bei der Tagesmutter. Der Tag geht um 7.30 Uhr los. Dann werden die Kinder nach und nach von den Eltern vorbeigebracht. Nach dem Frühstück gehen alle zusammen spazieren. „Die Gegend hier ist sehr ruhig. In der Nähe gibt es einen Spielplatz“, sagt Stahl. Anschließend haben die Kinder im Haus Zeit, sich um ihre Spielsachen zu kümmern. Zwischendrin geht Stahl auf jedes Kind ein, putzt laufende Nasen und redet vor allem viel. „Man kann die Kinder gut verstehen, wenn man die Zeichen zu deuten weiß“, sagt sie. In diesem jungen Alter entwickeln sich die Persönlichkeiten der Kinder rasant. Es sei schon lange ihr Traum gewesen, intensiv für Kleinkinder zu sorgen und individuell auf sie einzugehen. Dass Potsdam Tagesmütter suche, habe sie damals aus der Zeitung erfahren. Das Jugendamt sei damals eine große Hilfe gewesen. Die 55-jährige gelernte Erzieherin hat früher 20 Jahre im Kindergarten in Schönwalde gearbeitet. Seit sie Tagesmutter ist, macht sie regelmäßig Fortbildungen. Im vergangenen Jahr waren es fünf. Zuletzt habe sie ein Zertifikat für eine Fortbildung zum Thema Sprachentwicklung bekommen.

Im Wintergarten des beigefarbenen Einfamilienhauses wird dann erst mal mit Seifenblasen gespielt. Kinder fahren mit dem Bobbycar über den Teppich, auf dem kleine Straßen und Häuser aufgemalt sind. Andere wollen mit bunten Kunststoffwürfeln spielen. Ingrid Stahl ist mittendrin. Gerade am Anfang müsse man auf die Kinder eingehen, wenn sie erstmals für mehrere Stunden von den Eltern getrennt sind. „Das lernen sie hier ja erst kennen“, sagt Stahl. Umso wichtiger seien feste Abläufe und Rituale.

Dazu gehöre auch die tägliche Obstpause zwischen 10 und 11 Uhr. Alle Kinder nehmen an dem niedrigen Kindertisch in Ingrid Stahls Küche Platz. Jedes Kind nimmt sich einen eigenen Stuhl, für jedes Kinde gibt es eine Tasse. „Welche Tasse willst du?“, fragt sie das Mädchen mit den blonden Locken. „Die rote“, kommt sofort die Antwort. Dann essen alle die Obstückchen, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Ein weiteres Ritual ist der tägliche Blick in die Schatzkiste: Jeden Tag finden die Kindern in dem von ihnen bunt bemalten Pappkarton etwas Neues. Am Donnerstag ist es ein orangefarbener Ball für jedes Kind und ein Bilderbuch. Um 16.30 Uhr endet für Ingrid Stahl der Arbeitstag.

Die Zusammenarbeit mit den Eltern funktioniert sehr gut, so Stahl. Schon am Anfang gebe es lange Gespräche mit den Eltern, um viel über die Kinder zu erfahren. Außerdem sei es ihr wichtig, dass die Eltern sie auch bewusst als Tagesmutter auswählen. Sie wolle nicht der Notnagel für einen fehlenden Krippenplatz sein. Über mangelnde Nachfrage muss sie sich nicht beschweren. Meistens kommen interessierte Eltern auf Empfehlung. In Potsdam wachse der Bedarf nach Tagesmüttern, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Am heutigen Freitag sollen 17 langjährige Tagesmütter für ihr Engagement ausgezeichnet werden. Ingrid Stahl ist eine von ihnen. Marco Zschieck

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