zum Hauptinhalt
Jörg Hafemeister ist ausgebildeter Schriftenmaler und Werbetexter und ein guter Beobachter.

© Ronny Budweth

Cartoon: Karikaturen aus Potsdam: Schräge Sache

Jörg Hafemeister zeichnet Cartoons über Potsdams Stadtpolitik. Oberbürgermeister Jann Jakobs und Hans-Jürgen Scharfenberg sind seine Lieblingsköpfe.

In Potsdam ist man sich immer einig. „Also ich seh das anders“, lässt Jörg Hafemeister eine seiner Cartoon-Figuren sagen. „Seh ich genauso“, ist die zustimmende Antwort des Gegenübers. In den Händen halten beide Cocktailgläser, die Stimmung ist gut. In Potsdam, sagt Hafemeister, wird manchmal zu angestrengt gestritten. Ein bisschen Entspannung und Humor täte den Diskussionen gut.

Seit Jahren zeichnet der 56-Jährige, was er in der Stadt wahrnimmt. „Ich bin ein Beobachter“, sagt Hafemeister. Er versucht dabei, seine eigene Meinung zurückzuhalten. Die Vorlagen aus der Stadtpolitik, aus den Medien und die Kommentare dazu genügen ihm als Input. „Ich lese viel Zeitung und was die Leute so in den gängigen Social Media Portalen schreiben“, sagt Hafemeister. „Dann weiß ich, was die Menschen hier beschäftigt, was sie umtreibt.“ Seine Bilder sind witzig und frech, manchmal pieken sie in eine Wunde, manchmal versuchen sie, Wogen zu glätten.

Wie eine Potsdamer Ahnengalerie

Jetzt kann man die bunte Welt der Stadtpolitik aus der Sichtweise des Cartoonisten in einer Ausstellung betrachten – politische Debatten und Stimmungen der vergangenen Jahre als auch ganz aktuelle Themen. Die Bilder stammen aus Potsdamer Tageszeitungen. Dazu kommen Porträts, bekannte Potsdamer Gesichter hängen hier wie in einer Ahnengalerie.

Ein weiterer Raum im Museumshaus Im güldenen Arm zeigt Hafemeisters Arbeit für ein bekanntes Möbelhaus. Was wenige wissen: Der gelernte Werbetexter arbeitet seit mehr als zehn Jahren hauptberuflich als Grafiker, Maler und Texter für eine Möbelkette, malt Stadtpanoramen, Broschüren oder Adventskalender. Der geregelte Job bietet ihm den Spielraum, nebenbei freiberuflich als Künstler zu arbeiten. Wobei sich Hafemeister noch gar nicht so lange als Künstler versteht.

Seine Kindheit verbrachte Hafemeister auf Rügen, in Saßnitz, vom Haus blickte man direkt auf den Hafen. Das Wasser und die Schiffe spielen bis heute eine Rolle in seinen Arbeiten, sie sind Metaphern, die er gerne benutzt. „Gegen den Strom schwimmen, baden gehen, versumpfen, dümpeln, alles sehr bildhafte Begriffe, die man gut malen kann.“

"Ich kann doch nur schräg malen"

Weil er als Kind gerne malte und auch kleine Geschichten schrieb, begann er eine Lehre zum Schriftenmaler. Ein Beruf, der heute in Zeiten der Digitalisierung verschwunden ist. Hafemeister sollte damals Plakate und Werbeschilder malen, und alles möglichst akkurat, schön gerade. „Das war überhaupt nichts für mich, ich kann doch nur schräg“. So ist es, Hafemeisters Häuser als auch die Frisuren seiner Charaktere liegen immer irgendwie schief im Wind.

Nein, er war kein guter Schildermaler und ging nach Potsdam zur Defa, aber auch dort war Akkuratesse gefragt. Zwischenzeitig übernahm er Gelegenheitsjobs, dann ging er zum Lindenpark. Hier kümmerte sich Hafemeister um den öffentlichen Auftritt des sich damals neu profilierenden Hauses, entwarf Logos, Plakate, plante die Umgestaltung des Saals.

Selbst nutzte er die neuen Möglichkeiten nach der Wende nur zögerlich. Er sei jemand, der Zeit braucht, sagt er. Außerdem habe er als Kind immer gesagt bekommen, bloß kein Angeber zu sein. Auf die Idee, dass sein Talent zum Studieren reichen könnte, wäre er nie gekommen.

Stolz auf Wahlkampfslogans

Stattdessen lernte er noch einen Beruf, Werbetexter, und machte dann ein Praktikum in der Berliner Agentur, die damals den Bundestagswahlkampf der Grünen organisierte. Er erlebte, dass seine Textvorschläge umgesetzt wurden und plötzlich überall hingen, das machte ihn stolz.

Mit Cartoons begann er, als er wegen einer Erkrankung eine Weile liegen musste und ihm langweilig wurde. Mittlerweile hat er seine Lieblingsköpfe. Jann Jakobs und Hans-Jürgen Scharfenberg, die beiden ewigen Kontrahenten, sind für ihn dankbare Gesichter und Charaktere. „Die liefern mir ein gutes Spiel und malen sich gut“, sagt Hafemeister. „Schade, dass sie jetzt verschwinden. Mal sehen, wer danach kommt.“

Burkhard Exner habe er schon mal gezeichnet, Mike Schubert muss er noch üben. Frauen malt er seltener. „Ich glaube, bei Frauen habe ich so eine Art Beißhemmung“, sagt er. In Männergesichter lasse sich einfach leichter mit einem spitzen Stift reinfahren. „Aber Frau Hüneke kann ich gut, und ich glaube, das gefällt ihr.“

Gerupfter Adler Woidke

Auch die Diskussion um die Umgestaltung der Potsdamer Mitte begleitet Hafemeister zeichnerisch. Das Mercure, das Stadtschloss, jetzt auch das blu sind Gebäude mit hohem Wiedererkennungswert, die sich mit wenigen Strichen darstellen lassen. Den Konflikt um den Neubau der Garnisonkirche neben dem Künstlerhaus greift er auf. Den Alten Fritz, auch eine Figur, die Hafemeister perfekt stilisiert hat, lässt er als Straßenmusiker nach einem Proberaum suchen. Und Ministerpräsident Dietmar Woidke sieht nach der gescheiterten Kreisreform aus wie ein gerupfter roter Adler, dem gerade das Lächeln vergeht.

Er würde sich freuen, wenn die Potsdamer zumindest heimlich mal die fremde Perspektive probieren würden. Und mit etwas Humor aufeinander zugingen. „Aber es ist erschreckend, wie viele Leute keinen haben“, so der Künstler.

Ausstellung bis zum 28. Januar im Museumshaus Im Güldnen Arm, Hermann-Elflein-Straße 3. Eröffnung am morgigen Sonntag um 15 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false