zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Jauch sorgte für Zäsur

Jakobs in Laudatio für Bonhoff-Preisträger: Kritik an Bauverwaltung „berechtigt, ausgewogen, zutreffend“

Er steht vor einer Leinwand. Darauf zu sehen sind Dächer in der Potsdamer Innenstadt, fotografiert vom Satelliten für den „Google Earth“-Dienst. Günther Jauch zoomt dicht heran, die Dächer sind jetzt im Detail zu erkennen. Diesen Komplex, sagt der Fernsehjournalist, habe er saniert. Und bei der Potsdamer Denkmalbehörde angefragt, ob es erlaubt sei, Dachfenster einzubauen – wenn nötig nur auf der Seite, die nicht zur Straße liegt. Die Antwort, die der prominente Wahl-Potsdamer damals bekam, war eindeutig: Nein! Dass niemand die Fenster sehen könnte, spiele keine Rolle, habe die Behörde ihm gesagt: Es komme darauf an, was ein Vogel sehen würde. Genau diese Perspektive präsentiert Jauch nun – und siehe da: Der Vogel sieht in den Dächern der Nachbarhäuser viele Fenster, wie Jauch per Satellitenaufnahme beweist. Nur zwei Häuser des Straßenzugs haben keine. Beide hat er saniert.

So fing alles an. Solche Auflagen der Denkmalpflege und der Potsdamer Baubehörde waren es, in denen sich für Jauch Willkür und Schikane manifestierten. Lange hatte er geschwiegen, seinen Frust heruntergeschluckt, wie viele Bauherren und Investoren. Doch am 13. März 2007 platzte Jauch der Kragen, machte er seine Erfahrungen öffentlich. Es geschah spontan, sagt er heute – aber die Rede von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) anlässlich der Verleihung der „Schinkelmedaille“ des Architekten- und Ingenieur-Vereins (AIV) zu Berlin an Jauch für sein Engagement für die Potsdamer Baukultur sei einfach zu nett und freundlich gewesen. Da hatte Jauch schon knapp zehn Jahre „schwierigen Dialog“ mit der Potsdamer Baubehörde hinter sich. „Ich habe unsinnigste Entscheidungen akzeptiert“, sagt er heute.

Zu Details hat Jauch sich bisher allerdings bis auf wenige Ausnahmen nicht geäußert. Erst jetzt nennt er konkrete Beispiele – in einem Kurzfilm, der gestern Abend im Kaisersaal der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft gezeigt wurde. Dort wurde Jauch mit dem „Werner-Bonhoff-Preis wider den Paragraphen-Dschungel“ ausgezeichnet. Der Wirtschaftspreis, dotiert mit 100 000 Euro, wurde zum dritten Mal verliehen. Er ist Teil des Forschungsprojekts „Unternehmer vor bürokratischen Hürden“, mit dem die Bonhoff-Stiftung – gegründet nach dem Unfalltod des Berliner Unternehmers Werner Bonhoff im Jahr 2000 – gemeinsam mit der Berliner Humboldt-Universität den deutschen „Bürokratismus“ erforscht. Jede Bewerbung diene der Forschung, so die Stiftung. Auch Jauch hat sich selbst beworben – allerdings, so sagte er, ohne Kenntnis des Preisgeldes. Das liegt bei stattlichen 100 000 Euro, die der TV-Journalist an die von ihm initiierte und finanzierte Potsdamer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Arche“, das wissenschaftliche Mitmach-Museum „Exploratorium“ und die katholische Marienschule spenden will.

Das ist eine neue Philosophie. Bislang hatte sich Jauch vornehmlich als Mäzen für Potsdamer Baudenkmäler engagiert. Das Fortunaportal gäbe es ohne ihn nicht, und man muss abwarten, ob das Landtagsschloss ringsherum mit dem gleichen Qualitätsstandard und Sinn für diesen historischen Platz errichtet wird. Jauch spendete außerdem für die Sanierung des Marmorpalais und viele weitere Bauwerke. Als Unternehmer sanierte er darüber hinaus zahlreiche denkmalgeschützte Häuser – wie viele, behält er diskret für sich.

Als Jauch nun im März vergangenen Jahres die lang angestaute Kritik äußerte, stellte das eine „Zäsur dar im Selbstverständnis aller, die in der Landeshauptstadt mit Denkmalschutz und Denkmalpflege“ beschäftigt sind, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der gestern zur Preisverleihung die Laudatio auf Jauch hielt. Er lobte, dass der TV-Moderator keine undifferenzierten Vorwürfe erhoben habe – die Kritik sei „berechtigt, ausgewogen, zutreffend“ gewesen. Er könne, so Jakobs, nun Jauchs Zorn auf die „Denkmaldetailvernichter“ und „Pinselsanierer“ nachvollziehen. In der Verwaltung laufe seit dem Battis-Bericht ein Prozess der „Umgestaltung und Transparenz“. Die Clearingstelle, noch im Probebetrieb, habe fünf Fälle in Arbeit, drei davon wohl erfolgreich. Verwaltung und Bauherr begegneten sich bei den Verhandlungen auf Augenhöhe.

Vielleicht, merkte Jauch an, sei der Oberbürgermeister „gar nicht so unglücklich“ gewesen, nach seiner Kritik hinter die Kulissen der Bauverwaltung schauen zu müssen. Und es scheint, als hätte Günther Jauch auch damit Recht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false