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Die schwimmenden Laternen rufen und beruhigen die Seelen der Opfer der Atombombenabwürfe. Die Zeremonie am Griebnitzsee ist einer Tradition am 6. und 9. August in Japan nachempfunden.

© Manfred Thomas

Von Günter Schenke: „Ich sah den Atom-Blitz über Hiroshima“

Vor 64 Jahren gab US-Präsident Truman am Griebnitzsee das Okay zum Abwurf der Atombombe, Potsdamer gedachten der Opfer

Babelsberg – Als 16-jähriger Schüler erlebte Hideto Sotobayashi den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Während des Unterrichts, der im zweiten Stockwerk seiner Schule stattfand, geschah am 6. August 1945 um 8.15 Uhr das Unerwartete und Unfassbare. „Ich sah den Blitz und hörte den Donner; dann verlor ich das Bewusstsein“, berichtet der heute Achtzigjährige.

Sotobayashi war Samstagabend zu einem Gedenken am Griebnitzsee, das der Hiroshimaplatz-Verein organisiert hatte, gekommen und erzählte mit leisen, bewegenden Worten über das Geschehen vor 64 Jahren. „Als ich aufwachte, sah ich, dass alle umliegenden Gebäude eingestürzt waren. Mein bester Freund lag verletzt unter den Trümmern der aus Holz gebauten Schule und flehte um Hilfe“. Die Schule befand sich 1,5 Kilometer von der Abwurfstelle der Atombombe entfernt. Nach Blitz, Donner und Druckwelle kam das Feuer. Es gab kaum Fluchtwege.

„Die Brücken, die alle aus Holz waren, brannten, ich schleppte meinen Freund in ein Boot, das ich schwimmend vor mir her schob“. Die Mutter fand er nach gemeinsamer Suche mit seinem Vater in der Stadt. „Sie konnte sich nicht mehr bewegen und starb drei Tage später am 9.,August. Sie war erst 35 Jahre alt. An ihrem Todestag warfen die Amerikaner die zweite Atombombe auf Nagasaki.“

Zehn Jahre nach dem Grauen kam Sotobayashi, der in Nagasaki geboren und in Hiroshima aufgewachsen war, nach Deutschland und lehrte später als Physik-Professor an der Technischen Universität Berlin. Lange Zeit konnte er über das Erlebte nicht sprechen, erst im Jahre 2006 bekannte er sich erstmals öffentlich als Überlebender der atomaren Katastrophe von Hiroshima.

Peter Schüler (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, erinnerte in einer kurzen Ansprache daran, dass die Entscheidung über den Abwurf der Atombomben aus Hiroshima und Nagasaki am 24./25. Juli 1945 in Potsdam, wo sich der 33. US-Präsident Harry S. Truman zur Potsdamer Konferenz aufhielt, vom Präsidenten und den Militärs getroffen wurde.

Truman landete am 15. Juli in Gatow und wohnte für 17 Tage zusammen mit Außenminister James F. Brynes sowie dem militärischen Berater William Daniel Leahy in der Villa an der heutigen Karl-Marx-Straße 2. Der gegenüber liegende Platz trägt seit 2005 im Gedenken an die Entscheidung zum Atombomben-Abwurf den Namen Hiroshima-Platz. „Im Gedächtnis an die Opfer und zur dauerhaften Mahnung an die menschenfeindlichen Dimensionen von Massenvernichtungswaffen“, heißt es im Beschluss über die Namensgebung.

Zirka 80 Menschen waren Samstagabend an das Seeufer gegenüber dem S-Bahnhof Griebnitzsee gekommen. Der Chor der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin sang getragene japanische Lieder. Viele Besucher setzten verschieden farbige Papierlaternen aufs Wasser. Die Lichter rufen und beruhigen laut der japanische Vorstellung und Tradition die Seelen der Opfer. An die Laternen schreiben die beteiligten Menschen ihre persönliche Botschaft für den Frieden. „Für eine atomwaffenfreie Welt“, so eine Inschrift. Wie Vereinvorsitzender Uwe Fröhlich sagte, würden im nächsten Jahr zum 65. Jahrestag der Atombomben-Abwürfe Original-Laternen aus Japan beschafft. Der Verein mit seinen derzeit 16 Mitgliedern verfolge das Ziel, Spenden zu sammeln, um auf dem Hiroshima-Platz eine Gedenkstätte zu errichten.

www.hiroshima-platz-potsdam.de

Günter Schenke

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