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© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild

Friedhofs-Tour: Humorvoll zwischen Grabsteinen in Potsdam

In Neuauflage ihrer bekannten Touren führt Anja Kretschmer wieder über deutsche Friedhöfe – auch in Potsdam.

Es ist dunkel. Schauer fegen über die Gräber auf dem Neuen Friedhof in Potsdam hinweg. Verwelkte Blumen liegen den Grabsteinen zu Füßen. Kerzen flackern. An einer Kreuzung des Friedhofes steht eine Menschentraube. Etwa 40 Menschen hören gespannt einer kleinen Frau zu: Anja Kretschmer, 37. Sie ist schwarz gekleidet. Ihre kurzen dunklen Haare versteckt sie unter einer Kapuze. Keine Taschenlampe, kein Handylicht erhellt den geteerten Weg. Kretschmer ist promovierte Historikerin und gibt seit drei Jahren Friedhofs-Touren – unter anderem in Potsdam. Vergangenes Wochenende lud sie zu „Friedhofsgeflüster II“ ein. Eine Wanderung über den Friedhof bei Nacht.

Anja Kretschmer
Anja Kretschmer

© privat

Von der Friedhofskapelle aus führt Kretschmer die Besucher den Hauptpfad des Friedhofes an den Gräbern einen Hügel hoch und gibt spannende Fakten zu Leichen und Bestattungen wieder. Knapp zwei Kilometer Wanderung. Anderthalb Stunden. Vom Weg kommt die Gruppe niemals ab, wandert nicht zwischen den Gräbern umher. Respekt den Toten gegenüber ist Grundvoraussetzung.

Wieso Friedhofs-Touren? „Ich habe im Rahmen meiner Doktorarbeit über Friedhöfe geschrieben. Daraus sind dann diese Führungen entstanden“, erzählt Kretschmer. Vor sieben Jahren gab sie in Greifswald die erste Führung, um den Menschen den Tod wieder näher zu bringen. Mit dem Ableben sind viele Ängste verbunden.

Der Tod hat eine amüsante Seite

„Ich möchte Sie heute Abend mit dieser Thematik konfrontieren und Ihnen zeigen, dass der Tod auch eine leichte und amüsante Seite hat“, kündigt sie ihrer Gruppe an. Während der Veranstaltung geht es nicht um einzelne Gräber oder Persönlichkeiten. Die Historikerin erzählt von Bräuchen, Anekdoten und Geschichten. Es geht um die Bestattungs- und Trauerkultur der letzten vier Jahrhunderte. „Ich möchte diese zu neuem Leben erwecken. Vieles ist in Vergessenheit geraten“, erläutert sie.

Teil eins von „Friedhofsgeflüster“ behandelt eine historische Figur aus dem 19. Jahrhundert. Eine Witwe. Kretschmer erzählt, wie Bestattungen damals funktioniert haben. In „Friedhofsgeflüster II“ geht es dagegen vor allem um Themen rund um die Leiche. Totenwache, Leichenraub und Leichenfett.

Ist so eine Tour bei Nacht auf dem Friedhof überhaupt erlaubt? „Ich korrespondiere hier mit der Friedhofsverwaltung. Die waren der Idee gegenüber sehr aufgeschlossen“, berichtet die 37-Jährige.

Spannende Touren

Ihre Tour in Potsdam fand nun bereits zum sechsten Mal statt und scheint ein großer Erfolg zu sein. „Freunde haben mir davon berichtet. Ich bin ohne Erwartungen hergekommen. Ich glaube aber, dass es spannend wird“, meint eine der Teilnehmerinnen noch ganz zu Anfang.

Spannend, definitiv. Kretschmers Anspruch ist jedoch noch ein anderer: Es soll sogar lustig werden. Ja, lustig. Auf dem Friedhof im Winter. In der Dunkelheit. Wie sie das schaffen möchte? Vor allem durch schwarzen Humor. Sie erzählt Geschichten von unbefestigten Särgen, die von Kutschen fallen. Klingt gruselig, ist es auch. In der Situation aber auch irgendwie lustig.

Kretschmers Führungen finden von März bis November statt. Sogar in verschiedenen Städten. Zuletzt gab sie eine Friedhofs-Tour in Kiel, nun in Potsdam. Immer in der Dunkelheit, egal ob Sommer oder Winter. „Im Sommer fangen wir halt erst um 22 Uhr an“, erklärt sie. Im tiefsten Winter gibt es keine Touren. Nun geht es in die Winterpause. Ihr Termin in Potsdam war der letzte für dieses Jahr.

Mehr Informationen unter: www.anja-kretschmer.de/friedhofsgefluester/

Sebastian Goddemeier

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