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Potsdamer Gedenkkultur fehlt Überblick: Historiker diskutierten über Erinnerungskonzept

Potsdam - Das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus in Potsdam könnte nach Ansicht des Politologen Heinz Kleger durchaus umfassender und übersichtlicher sein. Zwar sei das im vergangenen Jahr vorgestellte „Konzept zur Erinnerungskultur in der Landeshauptstadt Potsdam“ durchaus sinnvoll und nützlich.

Potsdam - Das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus in Potsdam könnte nach Ansicht des Politologen Heinz Kleger durchaus umfassender und übersichtlicher sein. Zwar sei das im vergangenen Jahr vorgestellte „Konzept zur Erinnerungskultur in der Landeshauptstadt Potsdam“ durchaus sinnvoll und nützlich. „Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Kleger am Dienstagabend auf einer Veranstaltung des Vereins Neues Potsdamer Toleranzedikt im Bildungsforum zum 70. Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945.

Das Konzept und die Schulen könnten nicht alles leisten, was in der Familie versäumt werde, betonte Kleger, der an der Universität Potsdam Politische Theorie lehrt. Dabei sei Potsdam „übervoll mit schwieriger Geschichte“. Es fehle an Ergänzungen und zeitlichen Einordnungen. Jugendliche würden leider durch Wirtschaft oder Wissenschaftsthemen begeistert und nicht so sehr durch Geschichte.

Auch Markus Wicke vom Förderverein des Potsdam-Museums kritisierte, dass es eigentlich keinen „systematischen Überblick“ gebe, was in der Zeit von 1933 bis 1945 in Potsdam los gewesen sei. „Das finde ich ein bisschen verrückt“, betonte er. So sei beispielsweise das jüdische Leben nicht wirklich wahrnehmbar. Er wünsche sich daher eine Sonderausstellung, die das Thema Nationalsozialismus in Potsdam umfassend und nicht schlaglichtartig aufarbeite.

Der Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Julius Schoeps, regte an, einen Demokratie-Preis als eine Art Aushängeschild auszuloben – konkret einen Max-Dortu-Preis. Dortu hatte in den Jahren 1848 und 1849 in Potsdam und Berlin an der Märzrevolution für die Errichtung einer Republik teilgenommen und war erschossen worden.

Zugleich müsse darauf geachtet werden, dass die Erinnerung nicht politisch missbraucht werde. „Wer gedenkt wem zu welchem Zeck? Das ist die entscheidende Frage“, betonte Schoeps.

Die Fachbereichsleiterin der Stadt für Kultur und Museum, Birgit-Katherine Seemann, begrüßte die Idee eines Preises grundsätzlich, wollte aber zunächst keine Zusage machen.

Die Stadtverwaltung arbeite derzeit an der Umsetzung des Konzeptes. Potsdam habe eine gebrochene Identität und es komme vor allem darauf an, den Jugendlichen das Wissen zu vermitteln, sagte Seemann. Besonders wichtig sei vor allem das Projekt „Stolpersteine“ des Kölner Bildhauers Gunter Demnig. Derzeit gebe es 26 solcher Steine im Boden der Landeshauptstadt, die an die Wohnorte von Opfern des Nationalsozialismus erinnern. „Das muss unbedingt weiterlaufen“, sagte Seemann.

Insgesamt könne man auch gut von Berlin lernen, das zuletzt viele Akteure miteinander vernetzt habe. Daraus entstand etwa das Konzept der Kulturprojekte Berlin GmbH zur „Lichtgrenze“ am 25. Jahrestag des Mauerfalls im vergangenen November, bei dem Tausende beleuchtete Bälle entlang der ehemaligen Mauer in den Nachthimmel aufgestiegen waren.

Das Podium ist Teil der seit 2013 laufenden Veranstaltungsreihe „Tolerantes Sofa“ des Vereins Neues Potsdamer Toleranzedikt. Ziel ist es, den Gesprächsprozess über Toleranz und Weltoffenheit in der Stadt weiterzuführen und zu vertiefen. Stefan Engelbrecht

Stefan Engelbrecht

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