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Stolze Tiere. Ein junger Fischadler (oben) wird von Günter Lohmann beringt. Seinen Horst hat der Greifvogel auf einem Strommast imHavelland errichtet. Die Eier der Fischadler machen auch optisch etwas her.

© Andreas Klaer

Fischadler in Brandenburg: Hilfe beim Horstbau

Im Havelland wurde kürzlich der 2000. Fischadler beringt. In fast ganz Europa ist die Art vom Aussterben bedroht – außer in Brandenburg

Der junge Seeadler ist ungehalten: Erst holt man ihn aus dem Nest, steckt ihn in einen Stoffbeutel und dann wird ihm auch noch irgendetwas am Bein angebracht. Das noch nicht flugfähige Jungtier rudert mit den Füßen in der Luft, als es zum Beringen hochgehoben wird und zwickt Günter Lohmann mit seinem kräftigen Schnabel mehrmals in den Arm.

Der Greifvogelexperte lässt die Bisse stoisch über sich ergehen. Vorsichtig biegt er mit einer Zange den Aluminium-Ring zusammen: Der 2001. Fischadler im Havelland wurde erfolgreich beringt. Sein Bruder oder seine Schwester – das ließ sich vor Ort noch nicht bestimmen – hatte die Ehre, die Nummer 2000 zu sein.

Fasziniert und auch ein wenig ehrfürchtig stehen rund ein Dutzend Naturschützer und Mitarbeiter des Energieversorgers E.DIS AG um die zwei Jungtiere herum, die trotz ihres Alters von gerade mal drei bis vier Wochen schon eine erstaunliche Größe besitzen. „Der ist 25 bis 30 Tage alt“, schätzt Lohmann und zeigt auf das Gefieder. „Jungtiere erkennt man daran, dass sie ockerfarbene Ränder an den Federn haben.“

Die Ringe sind Teil des bundesweiten Artenschutzprogramms „Fischadler“ und dienen vor allem dazu, das Zug-Verhalten, die Brut-Biologie und die Bestandsentwicklung der Vögel zu erforschen. Die Ergebnisse sind erfreulich: „Das Bestandsniveau ist hoch und stabil“, sagt Tobias Dürr vom Landesamt für Umwelt Brandenburg. Einen nicht unwichtigen Anteil daran hat Günter Lohmann: 1987 hat er das erste Brutpaar im Havelland angesiedelt, mittlerweile sind es zwischen 50 und 60 in der Region. Rund 600 Brutpaare gibt es bundesweit.

Die beiden Jungtiere haben für solche Zahlen keinen Sinn: Etwas eingeschüchtert sitzen sie im Gras und blicken geduckt in die Runde. Lohmann, der seit 30 Jahren Vögel beringt, hat Verständnis: „Sie halten den Kopf unten am Boden - das ist eine typische Geste, wenn Fischadler spüren: Hier passiert etwas, was nicht sein sollte.“ Um die Ringe zu kontrollieren, muss man aber nicht auf den Horst steigen, sagt Lohmann: „Die kann man auch mit dem Fernglas ablesen.“

Der Horst befindet sich nicht auf einem Baum, sondern gut sichtbar auf der Spitze eines Strommastes. Er wurde nicht von Adlern errichtet, sondern von Menschen. „Wenn sie die Horste dort oben selbst bauen, werden sie häufig durch Winterstürme zerstört“, so Lohmann. „Dann fällt das Holz auf die Stromleitungen und die Tiere müssen ein neues Nest bauen, was die Brutzeit verkürzt.“ Die Errichtung der Horste findet mit Hilfe der E.DIS AG statt, die 2015 rund 70 Nisthilfen im Land installiert hat. Zudem wurden auf den Masten über 17 000 Vogelschutzhauben und 300 Andreaskreuze angebracht, die die Vögel vor elektrischen Teilen am Mast schützen sollen.

Normalerweise findet die Beringung direkt oben auf dem Mast statt, nur ausnahmsweise wurden die Jungtiere heute heruntergeholt. Lohmann klettert selbst nicht mehr, das macht ein professioneller Freileitungs-Monteur. „Gefühlt sind es da oben 60 Grad“, sagt Jens Barczynski, der die Fischadler gerade herunter getragen hat.

Für die Tiere ist die Hitze kein Problem, so Lohmann, da Fisch eine sehr wasserreiche Nahrung für die Adler sei. „Sie fangen vor allem Plötze und Güster – was wir heute nicht mehr essen wollen“, sagt Lohmann. In der DDR war das anders: Vor 1989 wurde auch dieses „Fischunkraut“ gefangen und etwa an Schweine verfüttert. Der Fischadler galt somit als Nahrungskonkurrent und wurde verfolgt, so wie seit vielen Jahrhunderten.

Durch Bejagung und Vertreibung gehört der Fischadler heute zu den vom Aussterben bedrohten Arten in Europa und Deutschland – außer in Brandenburg. Viele Jungtiere siedeln sich woanders an: „Wir versorgen die halbe Bundesrepublik mit Jungtieren“, scherzt er. „Dank der Beringung haben wir sogar festgestellt, dass ein Brutpaar sich in Frankreich angesiedelt hat.“

Nun dürfen die zwei Fischadler wieder zurück ins Nest. Für die Naturfreunde und Vogelkundler war es eine ganze besondere Begegnung, denn so nah kommen selbst sie den Tieren nur selten. Manfred Miethke vom NABU Potsdam streichelt einem der Fischadler zum Abschied kurz über die Federn, danach werden sie wieder in die Stoffsäcke gehoben.

Die beiden haben die Prozedur relativ ruhig erduldet. „Eigentlich kümmern sich Fischadler nicht viel um den Beringer“, sagt Lohmann. Die Eltern hatten zwar laut geschimpft, aber meist ist von ihnen wenig zu befürchten. Lohmann weiß jedoch auch von einer Fischadler-Mutter von einem unweit gelegen Horst zu berichten, die einen der Beringer angegriffen hatte: „Sie hatte sich im Sturzflug auf ihn gestürzt und eine Schramme auf seinem Helm hinterlassen.“ Irgendwie verständlich, denn die größte Gefahr für den Fischadler ist nach wie vor dieselbe wie seit Jahrhunderten: „Der Mensch“, so Lohmann.

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