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Unmut am Schlaatz: Protest wegen Pfarrerin Pfeiffer: Herde ohne Hirtin

Nach der Suspendierung der Stadtteil-Pfarrerin Ute Pfeiffer reagieren viele Schlaatzer wütend. Sie wollen gegen die Entscheidung protestieren und fordern, dass die Geistliche einen Gottesdienst für Elias leiten darf.

Potsdam - Die Freistellung der Stadtteilpfarrerin Ute Pfeiffer sorgt weiter für großen Unmut am Schlaatz. Unterstützer der Geistlichen kündigten für diesen Samstag um 10 Uhr eine Demonstration vor der Versöhnungskirche in Drewitz an, wie die PNN von den Organisatoren erfuhr. In der Versöhnungskirche beginnt am Samstagmorgen die zweitägige Tagung der Kreissynode. Auch soll eine Petition an die Kirchenleitung übergeben werden, in der sich ehemalige Helfer bei der Suche nach dem ermordeten sechsjährigen Elias und soziale Träger in der Plattenbausiedlung für einen Verbleib von Pfeiffer einsetzen. Auch soll dafür geworben werden, dass Pfeiffer am Sonntag am Schlaatz trotz der Suspendierung einen Gottesdienst für Elias leiten darf. Dieser kann in der Sternkirche stattfinden, allerdings mit einem anderen Pfarrer.

Wie berichtet wurde Pfeiffer bis Ende Juli 2016 bei vollen Bezügen freigestellt. Danach soll die Stelle der „Kirche im Kiez“ neu besetzt werden. Das Projekt ist in der Sterngemeinde entstanden, zu der auch der Schlaatz gehört. Die Pfarrerin ist aber dem Kirchenkreis Potsdam zugeordnet.

Strukturelle Gründe für Pfeiffers Suspendierung

Die evangelische Kirche bleibt indes bei ihrer Entscheidung, die Stadtteilpfarrerin nicht mehr im Schlaatz zu belassen. Es habe strukturelle Gründe dafür gegeben, sagte der Pfarrer der Sterngemeinde, Andreas Markert, am Donnerstag den PNN. Es gebe hier gänzlich unterschiedliche Auffassungen. Zugleich betonte er, dass es keinerlei Zusammenhang mit dem am vergangenen Freitag bekannt gewordenen Mord an Elias gebe. Die „einvernehmliche Entscheidung“, Pfeiffer von der Position abzuziehen, sei bereits vorher gefallen. Das Verbrechen an Elias und Mohamed „ist furchtbar und es fehlen einem die Worte“, sagte Markert. Nun könne nur versucht werden, die Betroffenen und die Helfer zu unterstützen. Dass nun keine Seelsorge am Schlaatz mehr möglich sei, ließ Markert nicht gelten. „Ich kann den Betroffenen nur mein Mitgefühl mitteilen. Wenn Hilfe gebraucht wird, bin ich da.“

Unterdessen schrieben die Unterstützer von Pfarrerin Pfeiffer am Donnerstag einen weiteren Brief - diesmal an den Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge. Darin baten einige der freiwilligen Helfer, die im Juli wochenlang in der Plattenbausiedlung nach Elias gesucht hatten, um einen eigenen Gottesdienst an diesem Sonntag – genau vier Monate, nachdem Elias verschwand. Der Junge war am 8. Juli entführt worden. Leiten soll den Gottesdienst die freigestellte Pfarrerin Pfeiffer. Bereits zuvor waren ähnliche Schreiben unter anderem an den Superintendenten des Kirchenkreises Potsdam, Joachim Zehner, gegangen. Dieser hatte inhaltliche Differenzen als Grund für die Suspendierung angegeben. Am Donnerstag war er nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

"Der gesamte Schlaatz braucht sie"

In dem Brief an Dröge, der den PNN vorliegt, bedauern die Unterzeichner, dass Pfeiffer sie nicht mehr weiter als Kiezpfarrerin begleiten könne. „In dieser schweren Zeit, die viele von uns gerade jetzt trifft, brauchen wir sie mehr denn je, der gesamte Schlaatz braucht sie“, hieß es. Sie habe den Menschen beigestanden, „für jeden ein offenes Ohr gehabt, für jeden Einzelnen, der Unterstützung brauchte, ihre Schulter zum Anlehnen gereicht. Sie ist eine von uns – eine Schlaatzerin!“ Bei Bischof Dröge kam der Brief an, wie Sprecher Christoph Heil bestätigte. Es werde auch eine Antwort geben.

Auch die Linken-Politikerin und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Linke-Queer, Wiebke Oschmann, setzte sich für Pfeiffer ein. Sie habe im Juli selbst Elias gesucht. „Pfeiffer hat das Vertrauen der Leute im Schlaatz. Die Pfarrerin jetzt auszutauschen, das geht gar nicht“, sagte sie den PNN. Nur die wenigsten Menschen hier seien Mitglied einer Kirche. Pfeiffer sei von Beginn an dabei gewesen. Und das mehr als acht Stunden, auch samstags und sonntags. „Sie war immer vor dem Bürgerhaus, saß da und war ansprechbar. Man merkte gar nicht, dass sie Pfarrerin war“, sagte sie.

Wichtige Ansprechperson

Martina Wilczynski, Sozialdemokratin und Bloggerin aus dem Schlaatz, schrieb bei Facebook, dass „bestimmte Köpfe in der Kirche nicht begriffen“ hätten, wie wichtig eine solche Ansprechperson wie Ute Pfeiffer sei. „Es ist wirklich unfassbar, wie unsensibel hier vorgegangen wird.“

Markert, der ab sofort auch im Schlaatz Gottesdienste leiten will, kündigte Gesprächsbereitschaft an. Es werde im November Gespräche mit den Mitarbeitern der Pfarrstelle sowie mit dem regionalen Arbeitskreis der sozialen Träger im Kiez geben. Auch vom Kirchenkreis werde jemand dabei sein. „Das muss aber vorbereiten werden“.

Kondolenzbuch bleibt bis zum 20. November im Bürgerhaus

Den Wunsch, im Bürgerhaus einen Ort der Stille einzurichten, in dem das Kondolenzbuch bleiben und auch die Stofftiere ihren Platz finden können, unterstützte er grundsätzlich. In einem Brief an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatten Anwohner um Unterstützung für den Ort der Stille gebeten. Stadtsprecher Stefan Schulz sagte dazu, dass die Einrichtung eines solchen Raums derzeit nicht zu leisten sei. Aktuell liege das Kondolenzbuch im Foyer des Bürgerhaus, einem Ort, an dem man sich treffen könne. Es soll dort noch bis 20. November bleiben. Ein anderer Eintragungsort ist nicht geplant. Bislang gab es in dem Buch mehr als 100 sehr persönliche Einträge. (mit Henri Kramer und epd)

Update am 6. 11., 19 Uhr: Die zum 1. November freigestellte Pfarrerin im Potsdamer Stadtteil Schlaatz, Ute Pfeiffer, wird an diesem Sonntag keinen Gedenkgottesdienst für den ermordeten Jungen Elias halten. Stattdessen wird des Sechsjährigen in dem jährlich stattfindenden Gottesdienst für verstorbene Kinder am 21. November gedacht, wie der Pfarrer der städtischen Stern-Kirchengemeinde, Andreas Markert, am Freitag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) sagte.

Stefan Engelbrecht

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