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Landeshauptstadt: Hasso Plattners Ärger über Bill Gates

Ist er ein Superspender, gehört er zum noblen „The Giving Pledge“? Der Potsdamer Mäzen sagt: eigentlich nein. Die Geschichte eines verwirrenden Tages

Wie dementiert man, dass man der totale Altruist ist, ohne geizig auszusehen, obwohl man schon Aberhunderte Millionen Euro gespendet hat für Bildungsprojekte und Universitäten in Amerika, Deutschland und Südafrika, für HIV-Aufklärung und Aids-Bekämpfung, für Kunst und anderes Mäzenatentum? Wie sagt man, dass man nicht im selben Club ist wie US-Wirtschaftslegenden wie Warren Buffet und Bill Gates, ohne sich und seine Leistung kleinzumachen? Hasso Plattner weiß es nicht an diesem Mittwochvormittag im Potsdamer Hasso-Plattner-Institut und nicht am Mittag und auch nicht später am Nachmittag in seiner Potsdamer Villa über dem Griebnitzsee – der Villa, in der Winston Churchill während der Verhandlungen zum Potsdamer Abkommen wohnte. Er ist erst einmal nur wütend. Und dementiert am Vormittag und am frühen Nachmittag: „Nein, ich bin dem Verein nicht beigetreten.“

Der Verein – das ist „The Giving Pledge“ (Das Spendenversprechen), gegründet vor drei Jahren von Buffett und Gates, die seitdem mehr als 100 Milliardäre überredet haben, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu spenden – oder dieses zumindest für den Fall ihres Ablebens zu versprechen. Fast alle kommen aus den USA. Noch im Januar hatte Gates gesagt, er hoffe auch auf deutsche Beteiligung. Und immer wieder trat er an Plattner heran – man kennt sich seit Jahren und konkurriert als Sammler der Klassischen Moderne auf dem Kunstmarkt. Gates schätzt Plattners Kunstsammlung und hätte ihn gern als Zugpferd für den Club. Doch Plattner lehnte immer ab. Auch im Vorjahr in einer Arte-Dokumentation, zuletzt am Montag am Rande des Neujahrsempfangs des Golfclubs Wannsee. Er will sich nicht einbinden lassen, will frei bleiben in der Entscheidung, wie er sein Vermögen einsetzt. Und vor allem will er eines: die Kontrolle über die von ihm mitgegründete Softwarefirma SAP, deren Aufsichtsratsvorsitzender er noch ist, nicht hergeben. Er hat Verantwortung. Würde er die Hälfte seines Vermögens spenden, dann müsste er SAP-Aktienpakete verkaufen – Kontrolle abgeben, Tür und Tor für den Einstieg von unkontrollierbaren Investoren öffnen. Plattner fragt am Mittwoch: „Was soll ich denn SAP-Aktien verkaufen? Was soll ich davon kaufen – schlechtere Firmen?“ Es gehe ihm nicht darum, eine oder sechs Milliarden Euro zu besitzen – das sei nicht wichtig. SAP sei wichtig. Das US-Magazin Forbes schätzte Plattners Vermögen 2012 auf rund 5,4 Milliarden Euro. Er hielt zuletzt rund zehn Prozent der SAP-Aktien.

Er habe ja noch Zeit, sich zu überlegen, was er wann mit seinem Vermögen machen will, sagt Plattner. Buffett sei schon über 80 Jahre alt, da sei es anders. Plattner verspürt keine Eile, er ist 69 und quietschfidel. Was nach seinem Tode passiere, stehe auf einem anderen Blatt – und gehe niemanden etwas an. Da könne ihn auch ein Bill Gates nicht unter Druck setzen. Und so sagt er Mittwochmittag, als die ganze Welt noch meldet, er sei nun einer der Supermegaspender, Sätze wie: „Ich fühle mich von Bill Gates hintergangen und ausgenutzt.“ Er meint das so, er fühlt sich so. Im Augenblick. Er will nicht mit falschen Maßstäben gemessen werden, nicht den Eindruck erwecken, er gehöre in einen Club, dessen Aufnahmebedingungen er nicht erfüllt.

Auch wenn Bill Gates das offenbar ganz anders sieht: Er hat Plattner aufgenommen in den Club der superguten Superreichen. Plattner, der gebürtige Berliner, in einer Reihe mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg und Hollywood-Regisseur und Star-Wars-Erfinder George Lucas. Aufnahmekriterium ist, die Abgabe von mindestens 50 Prozent des Vermögens im Sinne der Initiative zuzusichern – Förderung der Bildung und der Gesundheit gehören etwa dazu. Und „The Giving Pledge“ hat eine Erklärung Plattners veröffentlicht, in der steht, warum er so viel spendet: Er wolle der Gesellschaft etwas zurückgeben, die ihm ein nahezu kostenloses Studium als Grundlage seines persönlichen Erfolges ermöglicht habe. Seine Stiftung, die er dazu vor 20 Jahren gegründet habe, sei ein Weg, beides zugleich zu tun. Es war eher eine Erklärung dafür, warum er seine gemeinnützigen Stiftungen, über die er beispielsweise mit mehr als 200 Millionen Euro an der Uni Potsdam das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik gestiftet hat und weiter finanziert, eingerichtet hat. Nur stand dort eines nicht: dass er verspricht, die Hälfte seines Vermögens zu spenden. Und warum er nun doch dabei sein will, in dem Club, dem er bisher nicht beitreten wollte.

Dann verschickt SAP am späten Nachmittag eine Erklärung: Plattner freue sich, Mitglied bei „The Giving Pledge“ zu sein – seine Stiftung werde das gesamte Kapital im Sinne des Vereins einsetzen. Nur: Auch hier keine Rede davon, dass Plattner sein halbes Vermögen spenden wolle. Und Plattner, der Mann, der als einer der bedeutendsten privaten Wissenschaftsförderer Deutschlands gilt, steckt weiter in der Defensive, muss sich dafür rechtfertigen, dass er nicht verkünden will, was nach seinem Tod mit seinem Vermögen passieren soll. „Warum auch?“, fragt er. Damit neue Diskussionen beginnen?

Noch am Dienstag hatte er zufrieden in Potsdam auf dem Dach des neuen Landtages gestanden – dem Nachbau des Potsdamer Stadtschlosses. 21,6 Millionen Euro hat er gegeben für die historische Fassade und ein Kupferdach. Zufrieden hatte er auf Potsdam geguckt und den symbolisch letzten Nagel in das Kupferdach geschlagen. Und nun das.

Sollen doch alle schreiben, dass er Mitglied bei dem Verein ist, seinetwegen. „Dann bin ich das jetzt eben – dann hat der Gates eben gewonnen. Aber ich weiß, dass ich die Bedingungen dafür nicht erfülle – egal, was Bill Gates sagt: In meiner Stiftung ist weniger als 20 Prozent meines Vermögens. Den Rest muss Gates erklären.“ Wumms. Ihm reichts.

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