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Potsdamer Bio-Laden: Grünkohl-Smoothie aus dem Schwimmbad

Gesunde Ernährung bedeutet Verantwortung für die Erde, sagt Kerstin Steinhof. 1994 öffnete sie den Bioladen Lebensquell.

Dieser Keks krümelt nicht. Die Konsistenz erinnert an Marzipan, aber je länger man kaut, desto intensiver schmeckt man das Zusammenspiel der fruchtigen Zutaten dieses sogenannten Raw Cookies heraus. Mit 50 Cent pro Stück sind diese sonne- und energiegeladenen Teilchen, vier Zentimeter Durchmesser, preislich nicht gerade günstig. Doch im Bioladen Lebensquell ist gleich ein ganzes Regal mit Produkten für Rohköstler bestückt – für die Inhaberin des Bioladens Lebensquell, Kerstin Steinhof, eine wachsende Klientel. Weil diese Lebensmittel roh verarbeitet oder auf höchstens 40 Grad Celsius erhitzt werden, bleiben kostbare Inhaltsstoffe, Vitamine und Enzyme weitestgehend erhalten – ernährungstechnisch ein Schatz. Auch Kerstin Steinhof isst gern Rohkost, nur im Winter manchmal zusätzlich vegetarisch. „Das ist wetterabhängig – wenn ich zu viel friere.“

Nein, dogmatisch muss und darf man in Ernährungsfragen nicht denken. „Jeder Körper ist anders, man muss probieren, spüren, womit man sich wohlfühlt.“ Für eine Ernährung mit Lebensmitteln aus rein biologischem Anbau, ob nun vegetarisch, vegan oder roh, nach ayurvedischen Richtlinien, laktose- oder glutenfrei, findet man im Lebensquell so ziemlich alles. Doch Kerstin Steinhof hat damals, vor 20 Jahren, die Entscheidung, einen Bioladen zu eröffnen, auch aus ökologischen Gründen getroffen. Nach ihrem Landwirtschaftsstudium an der Berliner Humboldt-Universität wollte sie die Agrarindustrie, die das biologische Gleichgewicht der Natur zerstört, nicht mehr unterstützen. „Wir schütten so viele Gifte auf die Äcker, ins Grundwasser und folglich in uns selbst hinein“, klagt sie. Kerstin Steinhof möchte konsequent Alternativen anbieten. Schon zu DDR-Zeiten besuchte sie Bio-Höfe, die habe es auch im Osten gegeben. In Marienhöhe bei Bad Saarow, einem der ältesten Biohöfe Deutschlands, der selbst die Zwangskollektivierung der DDR überstand, kaufte sie Getreide, machte daraus mithilfe einer Kaffeemühle Zutaten für ihr Müsli.

1994 eröffnete sie ihren ersten Laden, 60 Quadratmeter in der Jägerstraße. Der Bedarf war enorm, sie vergrößerte sich wenige Jahre später. 2005 zog sie ins ehemalige Werner-Alfred-Bad in der Hegelallee. Im Foyer sind noch wassergrüne Fliesenwände mit Speirinne erhalten; im Oval des alten Schwimmbeckens stehen nun Regalwände und wo früher Umkleiden und Duschen waren, sind Mitarbeiterräume und Büros. Das Haus ist heute Zentrum für ganzheitliche Medizin, Therapie, Beratung. Ein Zufall, dass der Name Lebensquell so gut hierherpasste. Wo Kerstin Steinhof wie viele Potsdamer als Schulkind geschwommen ist, präsentiert sich nun der Biomarkt, ein Vollsortiment auf 350 Quadratmetern. Einzige Ausnahme: Fleisch und fleischliche Produkte gibt es hier nicht. Die Tierzucht, sagt sie, verbrauche immense Energieressourcen. Das kann sie nicht gutheißen.

Für die meisten Kunden ist das kein Problem. Dass es hier kein Fleisch gibt, findet eine junge Frau interessant und sympathisch. Dafür gibt es Milchprodukte, Eier und Tofu, Letztere nicht unbedingt notwendig, aber hilfreich für Menschen, die auf vegetarisch umstellen wollen oder für Kinder, die auch mal ein Würstchen essen möchten. „Junge Familien sind eine große Zielgruppe“, sagt Kerstin Steinhof. Dazu kommen Studenten und erstaunlich viele ältere Menschen, die oft beruflich mit der Branche Gesundheit, Sport und Ernährung zu tun hatten. Steinhof ist überzeugt: Es ist möglich, sich komplett Bio zu ernähren, wenn man das möchte. Natürlich ist das teurer, aber dafür kaufe man bewusster – und weniger – ein. Und es werde weniger weggeworfen.

Wer sich ein wenig Zeit nimmt, das Regallabyrinth zu erkunden, wird überrascht sein. Kleinteilig und vielfältig ist das Sortiment aufgebaut, von Birkenzucker bis Babynahrung, Waschmittel und Kosmetik. Dazu eine große Auswahl an Tee, ayurvedisch oder homöopathieverträglich, und leckere Genussmittel – Schokotrüffel, Wein und Limo, Kartoffelchips. Dazwischen Hanfschokolade. „Hanfsamen sind sehr gesund wegen des hohen Anteils ungesättigter Fettsäuren“, sagt Kerstin Steinhof.

Besonders wichtig ist ihr ein breites Angebot an Frischeprodukten, Brot, eine gut sortierte Käsetheke, Obst und Gemüse, darunter auch alte Sorten und Sprossen. So ein Gemüseregal muss man pflegen, damit es appetitlich bleibt, und rechtzeitig aussortieren, was in die „Halber-Preis-Kiste“ kommt. Und weil es die Kunden wünschen, gibt es auch im Januar Radieschen, ein Bund für zwei Euro, Import aus Italien. Oder Exotisches, köstliche Papayas aus Thailand und Bananen. „Wir passen uns natürlich Kundenwünschen an, wir müssen ja auch leben in dieser Welt, Miete zahlen“, sagt sie. Die zwölf Mitarbeiter bekommen schon längst Mindestlohn, mindestens. Als die vierte Filiale der Bio Company in Potsdam öffnete, war das im Lebensquell zu spüren. Doch große Sorgen macht sie sich deshalb nicht. „Wir sind kein anonymer Supermarkt. Wir kennen unsere Kunden und wir sind beratungskompetent“, sagt sie. Das wüssten die Stammkunden zu schätzen. Außerdem seien etwa 20 Prozent des Sortiments individuell ausgewählt, abseits vom Bioladen-Mainstream – ihr Vorteil. Doch auch Lebensquell bezieht alle Waren vom Großhändler Terra. Anders ginge es gar nicht – regionale Höfe und Anbieter allein könnten die Nachfrage nicht bedienen. Aus der Region kommt Honig von einem Imker, der seine Bienen nur auf Bioanbauflächen fliegen lässt, Hirse aus dem Spreewald, Käse vom Ökodorf Brodowin. Zurzeit liegt der letzte Schafs- und Ziegenkäse im Regal, denn erst im Frühling werden die tragenden Tiere wieder Milch geben. Die natürlichen Kreisläufe – es gibt sie noch, auch im Kühlregal.

Hegelallee 23, Tel. (0331) 270206

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