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Potsdam: Mit Sport gegen Parkinson: Große Schwünge als kleine Hilfe

Jürgen Gernandt hat Parkinson. Mit viel Sport kämpft er gegen die Symptome. Die Tulip-Gala lenkt den Fokus auf die Krankheit und sammelt Spenden.

Potsdam - Vor, zurück, wieder vor. Mit großen Armbewegungen schwingt Jürgen Gernandt zwei knallgrüne Kunststoffringe nach vorne und hinten. Es herrscht konzentrierte Stille im Raum der Parkinson-Selbsthilfegruppe, nur ein rhythmisches Ratschen ist zu hören. In den Ringen, Smooveys genannt, sind bewegliche Stahlkugeln, die das Geräusch machen. Die großen Bewegungen sollen den acht Parkinsonkranken, die an diesem Mittwochnachmittag in das Haus der Begegnung in die Waldstadt gekommen sind, helfen, die Symptome der Krankheit gering zu halten.

In Deutschland leiden rund 250 000 Menschen an Parkinson, einer neurologischen Krankheit, deren Ursachen nach wie vor unklar sind und die nicht geheilt werden kann. Um Aufmerksamkeit auf das Thema Parkinson zu lenken und Spenden zu sammeln, findet am morgigen Samstag die Tulip-Gala in der Babelsberger Metropolis-Halle statt (siehe unten). Die Deutsche Parkinson Gala wird in diesem Jahr zum achten Mal von der Deutschen Parkinson Hilfe und der Deutschen Parkinson Vereinigung organisiert.

Angst vor dem Zittern: „Man will es nicht zeigen, nicht auffallen“

Jürgen Gernandt merkte 2006, dass etwas nicht stimmte. Hier ein leichtes Zittern im Knie, da ein Arm, der beim Laufen nicht richtig mitschwingt. Zuerst dachte der heute 60-Jährige sich nicht viel dabei. Dann war er zu einer Routineuntersuchung beim Urologen. Bei dieser wurde nichts festgestellt, aber der Arzt bemerkte die zitternden Hände, als sich Gernandt sein Hemd zuknöpfte. Er empfahl eine Untersuchung. 2008 wurde dann Parkinson diagnostiziert. „Ein Schock“, erinnert sich Gernandt. Zunächst habe er sich die Krankheit schön geredet, ein Tumor wäre schlimmer gewesen. In der Parkinsonklinik Beelitz wurde er medikamentös eingestellt, merkte im Alltag zunächst kaum etwas.

Doch inzwischen ist die Krankheit sein ständiger Begleiter. Zum einen der steife Rücken, der immer wieder kommt, zum anderen der Tremor, jenes typische Zittern, das auch Laien mit Parkinson verbinden. Wenn das Zittern kommt, will Gernandt es oft unterdrücken. „Man will es nicht zeigen, nicht auffallen“, sagt der 60-Jährige. Meist gelingt ihm das, darauf ist er stolz. „Sogar hier in der Selbsthilfegruppe dachten viele erst, ich komme nur zum Helfen und wussten nicht, dass ich selbst Betroffener bin.“ Bei der Erinnerung muss er schmunzeln. Doch da ist auch die Angst vor diesen Situationen. Wenn man im Kino oder im Theater sitzt, dicht an dicht, nicht raus kann aus den Sitzreihen, wenn das Zucken anfängt. „Manche denke, man ist betrunken, das ist schon sehr unangenehm. Da stößt man an seine Grenzen“, sagt Gernandt. Das Beste sei, es einfach laufen zu lassen – nicht immer leicht im Alltag.

Ein Irrweg: Viele Patienten entwickeln Süchte um die Krankheit irgendwie zu kompensieren

Denn das Zittern kann man nicht unterdrücken, wenn man das versucht, wird es nur schlimmer. Dazu kommen mögliche Nebenwirkungen der starken Medikamente. „Viele entwickeln Süchte, Spielsucht, Alkoholismus. Das zerstört auch Beziehungen“, erklärt Gernandt. Das wollte er unbedingt vermeiden, stellte um auf andere Medikamente, die er häufiger nehmen muss, die aber weniger Nebenwirkungen haben.

Viele Menschen, sagt Gernandt, wüssten leider nur wenig über Parkinson. So komme es immer wieder zu Missverständnissen. „Viele wollen helfen, wissen aber nicht wie.“ Ihm alles abnehmen zu wollen, sei der falsche Weg. Er könne und wolle den Alltag schaffen. Gernandt arbeitet noch Vollzeit für die Rentenversicherung, in Homeoffice – ein Zugeständnis, um flexibler zu sein. Mit seiner Frau wohnt er in Bestensee bei Königs-Wusterhausen. Im Haushalt will er auch noch viel tun.

Mit Sport gegen das Zittern: Gernandt will sich nicht unterkriegen lassen

Gernandt kämpft täglich gegen die Krankheit, mit sehr viel Sport. Jeden Tag aufs Laufband, Spaziergänge mit dem Hund, Schwimmen, Krafttraining, das Training in der Gruppe. Denn mit fortschreitendem Krankheitsverlauf werden die Bewegungsmöglichkeiten der Betroffenen oft zunehmend eingeschränkt. Das Gleichgewicht ist ein großes Problem. Und viele Patienten machen immer kleinere Schritte, kleinere Bewegungen, sprechen leise und haben eine eingeschränkte Mimik. Dagegen helfen Übungen mit großen Bewegungen wie Taiji, das auch die Potsdamer Selbsthilfegruppe zweimal pro Monat macht.

Jürgen Gernandt kommt aber nicht nur deshalb. Der Austausch mit anderen hilft ihm. „Hier kann man ganz offen sein und die Krankheit vergessen“, sagt er. „Nicht unterkriegen lassen“, dieses Credo nennt er im Gespräch immer wieder. Man müsse das Beste daraus machen, ändern könne man es sowieso nicht. Also schnappt er sich die beiden grünen Ringe, tritt in den Kreis der Teilnehmer und fängt an zu schwingen.

+++ Deutsche Parkinson-Gala

Am morgigen Samstag findet die Deutsche Parkinson Gala – auch Tulip-Gala genannt – mit 620 Gästen in der Babelsberger Metropolis-Halle statt. Ziel der Wohltätigkeitsveranstaltung ist es, Geld für die Erforschung der Krankheit und die Entwicklung erfolgreicher Therapiemöglichkeiten zu sammeln. Seit 2010, als der Potsdamer Unternehmer und Initiator Stephan Goericke die nach dem Symbol für Parkinson, der Tulpe, benannte Gala erstmals ausrichtete, wurden bereits rund 300 000 Euro an Geld- und Sachspenden gesammelt. Stargast ist in diesem Jahr der deutsch-südafrikanische Schlagersänger Howard Carpendale. Botschafterin ist das Potsdamer Topmodel Franziska Knuppe. Die Gala ist bereits ausverkauft. 

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