zum Hauptinhalt

Links und rechts der Langen Brücke: Größe durch Bescheidenheit

Guido Berg verteidigt den Synagogen-Entwurf des Architekten Jost Haberland als gelungenen Kompromiss zwischen völlig unterschiedlichen Anforderungen

Der im Wettbewerb als Sieger hervorgegangene Synagogen-Entwurf des Architekten Jost Haberland wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Die einen finden, seine Synagoge füge sich nicht harmonisch in die barocke Innenstadt ein. Bauten mit Ziegelfassade habe es in der Potsdamer Mitte nie gegeben. Andere wiederum monieren, das jüdische Gotteshaus habe nicht genügend Ausstrahlung und sei zu wenig repräsentativ. Eine extreme Position lautet gar, die neue Potsdamer Synagoge müsse dem Ausmaß des Holocausts angemessen mindestens einen Meter höher als die Nikolaikirche sein. Welch eine Architektur aber ist angemessen angesichts sechs Millionen ermordeter Juden? Keine! Überlegungen dieser Art müssen zwangsläufig ergebnislos bleiben. Die Dimension der Shoah ist nicht darstellbar. Es kann keine Wiedergutmachung geben. Einzig hilfreich sind pragmatische, heutige Überlegungen. Was hilft künftig? Welches Haus bietet den Juden in Potsdam angemessene Möglichkeiten, ihren Glauben zu leben und ihr Gemeindeleben zu organisieren? Wie viel Geld steht zur Verfügung? Was gibt das Grundstück Schloßstraße 1 her? Der Berliner Architekt Jost Haberland hat genau von einer solchen Position aus entworfen. Seine Architektur geht in für heutige Zeit außerordentlich uneitler Weise auf die gestellten Anforderungen ein. Bewusst verzichtet er zunächst auf jüdische Symbole in der Fassade und überlässt es der Gemeinde, sich das Haus durch Finden eines geeigneten Thora-Spruches für die Außenwand anzueignen. Ferner integriert er das gestellte Raumprogramm und schafft Platz für Bibliothek und Unterrichtsräume. In dieser Woche wurde das durch den Dirigenten Ud Joffe kritisiert, der gern einen größeren Veranstaltungssaal für musikalische Darbietungen gesehen hätte. Als ob die Synagoge ein weiterer Nikolaisaal sein könnte! Für die Fassade hat Architekt Haberland Glindower Ziegel vorgesehen – ein naheliegender Gedanke, haben doch Gotteshäuser in der Region zumeist Ziegelfassaden. So ist die öffentlich herausgehobene religiöse Nutzung sofort assoziierbar. Gleichzeitig jedoch versöhnt die warme gelbliche Materialfarbe mit der barocken Bürgerhaus-Umgebung. Freilich müssen Kompromisse gemacht werden. Fünf Millionen Euro sind nicht viel Geld für den Bau. Allerdings sticht Potsdam mit dem sparsamen Ansatz auch nicht negativ heraus. Der Jüdischen Allgemeinen zufolge baut die Stadt Ulm eine neue Synagoge für vier Millionen Euro. Im dortigen Architektur-Wettbewerb hat ausgerechnet der „bescheidenste Entwurf“ gewonnen. Der kleinste der zur Auswahl stehenden Modelle machte das Rennen, „weil er wie kein anderer den Spagat zwischen praktischen Notwendigkeiten und städteplanerischen Zielen meistere“. Genauso war es auch in Potsdam. Einige Entwürfe im Potsdamer Wettbewerb glichen eher einem Opernhaus als einer Synagoge mit angeschlossenem Gemeindezentrum. Klug hat die hochkarätig besetzte Jury auf schillernde Angebote verzichtet und einem Haus den Vorzug gegeben, das menschliche Maße hat und einladend wirkt. Potsdam sollte die Vorzüge der Haberland-Synagoge erkennen und dieses Haus zügig bauen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false