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Sakraler Raum. Eine Andacht wie in der Kirche ist im Internet noch unmöglich.

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Religionswissenschaftler über virtuelle Kirchen

„Das ist wahrscheinlich die größte digitale Kirche, die es gibt“, sagt Johann Hafner. Zu einer Tour durch die prächtige Rokoko-Basilika Ottobeuren lud der Religionswissenschaftler am Dienstag seine aufmerksamen Zuhörer bei der Ringvorlesung über das „Leben in virtuellen Welten“ des Ethikinstituts an der Universität Potsdam ein. Auf einer CD-Rom, die Hafner zusammen mit etwa 70 Fachleuten vor mehr als zehn Jahren zusammengestellt hat, öffnet sich per Mausklick ein bilderreiches Panorama aus Heiligen, golden leuchtenden Altären und opulent verziertem Kirchenraum. Hafner, Professor für Religionswissenschaft, wollte mit der Vorlesung der Frage nachgehen, ob in einer virtuellen Kirche auch gebetet werden könne.

„Das Ziel der Baumeister im Rokoko war es, eine multimediale Himmelssimulation zu schaffen“, da seien die himmlischen Gefilde in ähnlicher Weise sichtbar geworden, wie heute virtuelle Welten in Computerspielen, meint Hafner. Gemälde an Decken und Wänden, Putten auf Bildern und Emporen und reich verzierte Säulengänge sollten für den Gläubigen einen Kircheninnenraum schaffen, der heutigen Illusionen aus Bits und Bytes in nichts nachstand. Der Aufwand den Universität Augsburg und das Haus der bayrischen Geschichte für das Projekt betrieben haben, sei bisher einmalig. Kunsthistoriker, Theologen und Geschichtswissenschaftler hätten einträchtig zusammen gearbeitet, um herauszufinden, welcher theologische Mehrwert sich aus der Digitalisierung einer realen Kirche ziehen lasse.

So findet sich auf dem Silberling die Geschichte der heiligen Agatha, der Folterknechte ihre Brüste abschnitten ebenso wie die des Engels Michael, der mit Waffengewalt den Teufel vom Eindringen in den Himmel abhält. Einer der Kirchenmaler hatte es sich nicht nehmen lassen, die Noten eines Jodlers aus seinem Heimattal ebenfalls an das Gewölbe zu malen. Ein Click aktiviert nun die volkstümlichen Klänge. Auch ein gefakter Heiliger soll sich eingeschlichen haben.

Die Euphorie, mit der vor dem Platzen der Internet-Blase auch religiöse Vereinigungen ins Netz drängten, ist mittlerweile gründlich verflogen. Über karge Andachtsräume, in denen gelegentlich eine Kerze angezündet, der Text einer Predigt abgerufen oder ein Tagesmotto gelesen werden kann, sind weder Kirchen noch andere Glaubensgemeinschaften bisher wesentlich hinaus gekommen. Im Internet stehen zwar zahlreiche Seiten mit religiösen Inhalten wie www.godtube.de oder www.catholicpriest.com, wirklich begehbare virtuelle Räume, wie bei einem Computerspiel, finden sich aber nicht.

So kann der Gläubige zwar Lebenshilfe und das religiös inspirierte Tagesmotto abrufen, sich aber nicht zur Andacht in den virtuellen Kirchenraum begeben. Die Frage nach der inneren Einkehr vor dem Computer ist etwas kniffelig, denn die Kirche fordert die körperliche, gleichzeitige Anwesenheit bei liturgischen Handlungen. Dementsprechend ist zwar die Live-Übertragung des Papstsegens zugelassen, eine ganze Messe aufzuzeichnen und dann ins Internet zu stellen, gestattet der kirchliche Kanon jedoch nicht. „In einer realen Kirche wird letztlich auch eine Vielzahl von Sinneseindrücken vermittelt, aber eine wirkliche Gemeinschaft von Gläubigen entsteht erst bei gleichzeitiger Anwesenheit“, erklärt Hafner.

„In jedem Computerspiel gibt es Aufgaben, bei denen ein religiöser Gegenstand beschafft, oder irgend ein Ritus im pseudosakralen Raum vollzogen werden muss“, stellt einer der Zuhörer fest. Da hinke die CD-Rom mit ihren sauber nach Kunstwissenschaft, Architektur und Religion getrennten Bereichen optisch doch etwas hinterher. Zudem haben aktuelle Computerprogramme Schwierigkeiten die Scheibe, die über das Haus der Bayrischen Geschichte bezogen werden kann, zu öffnen. „360 Grad Panoramen und ausschweifende Fahrten durch virtuelle Welten gab es damals noch nicht“, räumt auch Hafner ein. Vielleicht ist es Zeit, den digitalisierten Kirchenraum auf der Grundlage aktueller Technik neu zu beleben. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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