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Historiker über Adenauer-Platz in Potsdam: Görtemaker: „Adenauer hat es verdient, in der Erinnerungskultur eine Rolle zu spielen“

In Potsdam wurde ein Platz nach Konrad Adenauer benannt. Der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker spricht im PNN-Interview über die historische Bedeutung Adenauers.

Von Katharina Wiechers

Herr Görtemaker, in Potsdam gibt es nun einen Konrad-Adenauer-Platz. Gerade von der Potsdamer Linken gibt es Kritik, unter anderem wird auf das autoritäre Staatsverständnis Adenauers verwiesen, das dieser neuen Erkenntnissen zufolge gehabt haben soll. Wie sehen Sie das?

Adenauer zu unterstellen, er sei kein Demokrat gewesen, ist völlig absurd und zeugt von grundlegender historischer Unkenntnis. Als Präsident des preußischen Staatsrats von 1920 bis 1933 besaß er die Unterstützung des katholischen Zentrums, der SPD und der DDP. Als Präsident des Parlamentarischen Rates 1948/49 arbeitete er an entscheidender Stelle am Grundgesetz mit und wurde damit einer der Urväter der Bundesrepublik Deutschland.

Wie war Adenauers Rolle gegenüber den Nationalsozialisten? Die Potsdamer Linke zweifelt daran, dass er sich ausreichend distanzierte.

Richtig ist, dass er dem aktiven Widerstand nicht angehörte, den er für aussichtslos hielt. Aber ihn deswegen in eine irgendwie geartete Nähe zum Nationalsozialismus zu rücken, ist völlig abwegig. Adenauer legte sich bereits 1931 als Oberbürgermeister von Köln mit den Nazis an und wurde sofort nach der „Machtergreifung“ seines Amtes enthoben. Auf Wahlplakaten der NSDAP hieß es 1933 sogar: „Adenauer, an die Mauer!“ Adenauer floh deshalb zeitweilig in die Abtei Maria Laach, wurde aber nach dem Röhm-Putsch im Juni 1934 für einige Tage festgenommen, weil man ihm – zu Recht – unterstellte, dass er der Hitler-Bewegung ablehnend gegenüberstand. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er erneut verhaftet, auch seine Frau wurde von der Gestapo abgeholt und ist später an den Folgen der Misshandlung gestorben.

Ein weiterer Vorwurf lautet, Adenauer habe die Spaltung Deutschlands vorangetrieben und habe deshalb gerade in Potsdam keinen eigenen Platz verdient. Ist da etwas dran?

Nein, hier wird die Geschichte geradezu auf den Kopf gestellt. Deutschland wurde durch den Kalten Krieg gespalten – also nicht zuletzt durch das Verhalten der Sowjetunion, die in ihrem Herrschaftsbereich in Osteuropa und auch in ihrer Besatzungszone in Deutschland eine stalinistische Diktatur errichtete. Adenauer hatte damit überhaupt nichts zu tun. Er hat daraus nach 1948/49 nur die Forderung abgeleitet, man müsse im westlichen Teil Deutschlands ein möglichst attraktives freiheitliches politisches System aufbauen, das auf den Osten wie ein Magnet wirken sollte. Und so kam es dann ja auch: Die Attraktivität der Bundesrepublik wurde 1989/90 zu einer wichtigen Triebfeder für die Wiedervereinigung.

Was halten Sie denn persönlich davon, dass in Potsdam ein Platz nach Adenauer benannt wird?

Ich finde die Idee nicht schlecht. In gewisser Weise ist Adenauers Person ja durchaus mit der Stadt verbunden. Vor allem jedoch hat er nach 1945 entscheidend zur demokratischen Neugestaltung Deutschlands beigetragen. Er hat den Balanceakt geschafft, den demokratischen Grundgedanken langfristig zu festigen, ohne die alten Eliten von vornherein auszugrenzen. Dies ist eine große Leistung, denn in der Weimarer Republik war dies bekanntlich nicht gelungen. Adenauer hat es deshalb durchaus verdient, in der Erinnerungskultur eine Rolle zu spielen – auch in Potsdam.

Die Fragen stellte Katharina Wiechers

ZUR PERSON: Manfred Görtemaker (65) ist seit 1992 Professor für Neuere Geschichte an der Uni Potsdam. Unter anderem forschte er zur NS-Vergangenheit des Justizministeriums.

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