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Homepage: Gitarren durch Trommeln ersetzt ZZF betrachtete Führung im Wandel der Zeit

„Wir sehen ein Erstarken von autoritären politischen Strukturen. Dies nicht nur in der Türkei oder in Russland.

„Wir sehen ein Erstarken von autoritären politischen Strukturen. Dies nicht nur in der Türkei oder in Russland. Auch in Amerika haben Populisten nun in der Regierung eine starke Stimme“, stellt Thomas Schaarschmidt, Wissenschaftler am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF), fest. Ob der Begriff von Führung, der das vergangene Jahrhundert geprägt hat, heute noch relevant ist, fragten Wissenschaftler am Potsdamer ZZF nun bei einem Symposium.

Im vergangenen Jahrhundert mündete eine Politik, die auf starke Führer vertraute, in die Katastrophe zweier Weltkriege. Fraglich ist, ob Gleiches heute passieren kann. „Das kommt darauf an, wie sehr man die chaotische Lage am Beginn des 20. Jahrhunderts mit der heutigen für vergleichbar hält“, sagte Schaarschmidt. Die Stimmung in der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg war nicht die beste.

Jörn Retterath hat sich aus der Lektüre der damaligen Vossischen Zeitung ein Bild davon gemacht, wie verbreitet die Suche und wohl auch Sehnsucht nach einem deutschen Führer war. Ein Führer solle „aus der dunklen Seele des Volkes geboren werden“ und könne dann auch über der Konstitution stehen, meinten vor dem Zweiten Weltkrieg nicht wenige Publizisten. Eingespannt bei der Suche nach einem Führer und der Vorbereitung des Erscheinens eines entsprechenden Messias wurde auch die Jugend. Barbara Stambolis hat untersucht, wie weit sich Strukturen, die sich in den Jugendbewegungen der 20er- und 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts heraus gebildet hatten, in der Hitlerjugend wieder finden. Mit Feuerkreisen und Fahnenringen habe man damals in Jugendgruppen, aber auch später in der nationalsozialistischen Inszenierung auf die Heranwachsenden Eindruck gemacht. „Irgendwann wurden die Gitarren durch Trommeln ersetzt“, stellt Barbara Stambolis fest.

Der speziell deutsche Begriff der Führung findet im Englischen eine ungefähre Entsprechung im „Leadership“. Dies bedeute aber doch nicht das Gleiche wie im Deutschen, so die Wissenschaftler. Dort sei damit nicht selten auch eine religiöse Vorstellung verbunden, fand schon der Soziologe Max Weber heraus, als er die Konstruktion des „charismatischen Führers“ untersuchte. Hitler habe sich einen Teil seines Charismas von dem Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg geborgt, sagte der Wissenschaftler Wolfram Pyta. Als einfacher Soldat sei Hitler die Anerkennung des ehemaligen Obersten Heeresführers sehr entgegengekommen. Sein Charisma habe der Diktator mittels seiner Rede, aber auch seiner Schriften gewonnen. Mit dem geschriebenen Wort sei er auch noch präsent gewesen, als er mit ausbleibendem Kriegserfolg zunehmend von der Bildfläche verschwand.

Ob sich aus den gegenwärtigen politischen Konstellationen wirklich das Bedürfnis nach einem neuen Führer heraus kristallisieren könnte, mochten die Teilnehmer des Symposiums nicht sagen. Der Begriff der Führung jedoch sei weiterhin recht facettenreich. Barbara Stambolis nennt den Begriff der inneren Führung, der in der Bundeswehr dazu diene, das moralische Empfinden der Soldaten zu unterstützen und gerade vor gedankenloser Führergefolgschaft schützen soll. Sie verweist auf historische Situationen. Auch in den deutschen Konzentrationslagern habe sich bei den Gefangenen unter viel extremeren Bedingungen als heute gezeigt, dass moralisch starkes, solidarisches Handeln ebenfalls eine Führungsfunktion entfalten könne. Daran gelte es anzuknüpfen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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