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Urteil wegen Beleidigung und Körperverletzung: Gewalt gegen Somalier: Haft auf Bewährung

Widersprüchliche Zeugenaussagen und eine Vielzahl von Versionen: Auch der Prozess am Potsdamer Amtsgericht konnte nicht vollständig und eindeutig klären, wie die Gewalttat gegen einen somalischen Flüchtling am Herrentag 2015 ablief.

Potsdam/Schlaatz - Widersprüchliche Zeugenaussagen und eine Vielzahl von Versionen: Auch der Prozess am Potsdamer Amtsgericht konnte nicht vollständig und eindeutig klären, wie die Gewalttat gegen einen somalischen Flüchtling am Herrentag 2015 ablief. Trotzdem wurden die beiden Angeklagten am gestrigen Mittwoch wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung von Achmed A. zu sechs und sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt – nur einen Monat unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Am Herrentag hatte eine Gruppe Männer zunächst eine Bootsfahrt unternommen und dann vor der Auto-Selbsthilfewerkstatt An der Zauche am Schlaatz mit Bier gefeiert. Nach Ansicht der Richterin habe der eine Angeklagte, der 29-jähriger Beelitzer Mario S., schon am Nachmittag „gestänkert“. Als er die Feier verließ, kam es nach Ansicht der Richterin an der Tramhaltestelle Magnus-Zeller- Platz zu einer Auseinandersetzung mit zwei Somaliern aus der benachbarten Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Der zweite Angeklagte, der 33-jährige Potsdamer Florian O., kam dazu, möglicherweise noch eine dritte Person. Im Vorraum der Unterkunft kam es zu einer Rangelei. Wie der Wachschutz im Prozess aussagte, wurde dabei geschubst, geschlagen und beleidigt. An den beiden Prozesstagen sagten neben den beiden Angeklagten, die jede Gewalt abstreiten, noch eine Reihe von Augenzeugen aus der Gruppe der Beschuldigten aus. Ihre Versionen gehen aber zum Teil weit auseinander. Eine Zeugin will beobachtet haben, dass Florian O. hinter Mario S. herrannte und „komm zurück“ rief. Er habe versucht, zu schlichten. Der Besitzer der Werkstatt widerrief seine erste Aussage bei der Polizei. Damals hatte er ausgesagt, Mario S. habe mit den beiden dunkelhäutigen Männern gestritten, sei ihnen nach ins Heim gelaufen und dort habe sich der Streit fortgesetzt. „Das habe ich so nie gesagt, das hat sich die Polizei ausgedacht“, erklärte er.

Ein weiterer Zeuge aus der Gruppe gab an, die Somalier hätten zuerst Beleidigungen wie „Nazi“ über den Zaun gerufen. An dieser Stelle wurde es auch Richterin Kerstin Nitsche zu bunt: „Ich habe schon einige Versionen gehört, aber Ihre war noch nicht darunter. Da können Sie sich ja denken, was ich davon halte.“

Bei all diesen Unklarheiten – auch die damalige Heimleiterin konnte sich nicht genau an den Vorfall erinnern – stützte die Richterin ihr Urteil im Wesentlichen auf die Aussage des Opfers. Es sei erwiesen, dass Achmed A. angegriffen und gestoßen wurde. Seine Aussage sei glaubwürdig, er habe keine Tendenz gezeigt, die Beschuldigten zusätzlich zu belasten. Zwar hätten die Schläge keine gravierenden Verletzungen hervorgerufen, aber durch die Gemeinschaftlichkeit der Tat handle es sich trotzdem um eine gefährliche Körperverletzung.

Die beiden Verurteilten zeigten sich entrüstet über das Urteil. „Es hat keine Körperverletzung stattgefunden“, betonte noch einmal Mario S. Beide wollen in Berufung gehen. Joschka Fröschner vom Verein Opferperspektive, der Achmed A. bei der Anzeige und dem Prozess unterstützte, wertete das Urteil dagegen als „wichtiges Zeichen, dass es sich lohnt, Anzeige zu stellen“. Sandra Calvez

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