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Kurz vor dem Verfall. Erst als bekannt wurde, dass in der Kirchengruft gut erhaltene Mumien liegen, ist das Interesse auch außerhalb von Prötzel gewachsen.

© Michael Urban/ddp

Von Bernd Kluge: Geschichten aus der Gruft

Für die Schlosskirche Prötzel und die Mumiensärge steht eine Schönheitskur an / Investition für Komplettsanierung ist da

Prötzel - Nachdenklich steht Eberhard Klemke am Eingang zur Gruft der Schlosskirche von Prötzel bei Strausberg. Der Kirchenälteste des Ortes blickt auf den nur schemenhaft erkennbaren, teilweise abgesenkten Fußboden. „Mit der Gruft hat alles angefangen. Die sorgte dafür, dass unsere Sanierungsbemühungen endlich Erfolg hatten“, sagt Klemke, der dem Förderverein zur Rettung der 1697 erbauten Schlosskirche angehört.

Der Kampf um Gelder für das sichtbar marode Bauwerk schien zunächst aussichtslos. Gibt es im Land Brandenburg doch viele Sakralbauten, die vom Verfall bedroht sind. Erst als bekanntwurde, dass in der Kirchengruft gut erhaltene Mumien liegen, sei das Interesse auch außerhalb von Prötzel gewachsen, erinnert sich Klemke. Und dann standen Fördermittel aus dem Fonds zur Rettung von Bauwerken mit überregionaler Bedeutung bereit. So kann jetzt die aufwendige Komplett-Sanierung der Schlosskirche beginnen.

„Die Investitionssumme in Höhe von 674 000 Euro liegt bereit“, bestätigt Petra Kobalz vom Kirchlichen Bauamt Fürstenwalde. An der Finanzierung der „Schönheitskur“ für Dach, Fassade und das Kircheninnere beteiligt sich laut Kobalz auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. „Baugeschichtlich etwas Besonderes ist das Gotteshaus zum einen, weil der 1786 angebaute Turm an der falschen, der östlichen Seite steht. Üblich sind Kirchtürme an der Westseite“, sagt Architektin Bettina Krassuski, die die Sanierung leitet.

Andererseits ist der Sakralbau ihren Angaben zufolge ein historisch gewachsenes Ensemble zusammen mit dem Schloss Prötzel, das östlich der Kirche steht und als eine der wertvollsten Barockanlagen im Land gilt. „Deshalb hat die Denkmalpflege ein besonders Augenmerk auf die Restaurierung“, sagt die Architektin. Doch während die Schlosskirche bald wieder im originalgetreuen Rosarot erstrahlen soll, verfällt das Schloss weiter.

Die acht in der Gruft gefundenen Särge mit den sterblichen, mumifizierten Überresten wurden unterdessen ausgelagert, um auch diesen Raum wieder würdevoll herzurichten. „Bestattet wurden hier Angehörige der Familie von Eckardstein, die 1801 Gut, Schloss und Schlosskirche Prötzel erworben hatte“, sagt Rolf Kaupat, der im Auftrag des Fördervereins seit Jahren Besucher durch das Gotteshaus führt. Die Gruft war zuvor nicht zugänglich, ein früherer Eingang zugemauert. Ein Blick durch ein schmales, vergittertes Kellerfenster hinterließ einen trostlosen Anblick: zu sehen waren hölzerne Sargteile, aufgebrochene Totenschreine aus Zink und menschliche Knochen. Unbekannte hatten die Gitterstäbe herausgebrochen, waren durch die Fensteröffnung gekrochen und hatten alle Särge aufgebrochen.

„Erst dadurch entdeckten wir, dass die Toten mumifiziert und gut erhalten sind“, berichtet Kaupat. Durch das offene Kirchenfenster herrschte offenbar eine gute Luftzirkulation, die zum Konservieren der Leichen beitrug, wie aus einem inzwischen erstellten archäologischen Gutachten hervorgeht. Im Zuge der Kirchensanierung werden laut Krassuski die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Dachtruhensärge restauriert.

Eine Touristenattraktion wie der ebenfalls mumifizierte Ritter Kahlbutz im brandenburgischen Kampehl sollen die Toten in der Prötzeler Gruft zwar nicht werden. Dagegen haben sich die Erben derer von Eckardstein verwahrt, die Mitglied im Kirchen-Förderverein sind und sich finanziell an der Wiederherstellung einer würdigen Grabstätte für ihre Ahnen beteiligen. Doch zu bestimmten festlichen Anlässen soll auch die Gruft für Besucher zugänglich sein, weiß Kaupat. Dann hat er Geheimnisvolles zu erzählen. Denn bisher ungeklärt ist, warum sich der Gruftboden teilweise abgesenkt hat.

Erbauer des Schlosses Prötzel war Paul Anton Kamecke, Kammerjunker und Oberhofmeister von Preußenkönig Friedrich I. Die Särge dieser ersten Schlossherrenfamilie, einst in der Kirchengruft beigesetzt, sind verschwunden. „Möglicherweise gibt es unter dem heutigen Gruftboden eine noch ältere Begräbnisstätte“, spricht Kaupat aus, was viele in Prötzel vermuten. Die Bauforschung im Zuge der Sanierungsarbeiten wird nach Angaben der Architektin möglicherweise Klarheit darüber bringen.

Bernd Kluge

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