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Forschung im Wald. Das Areal des Helmholtz-Zentrums aus der Luft gesehen. Es liegt im Düppeler Forst zwischen Havel (hinten) und Griebnitzsee.

© Lutz Hannemann

Landeshauptstadt: Für einen Ernstfall am BER II

Der Forschungsreaktor in Wannsee wird 2019 abgeschaltet. Bis dahin bereitet eine neue Broschüre Anwohner auf einen Notfall vor

Potsdam / Berlin - Viele Potsdamer hatten das DIN-A-5 große Heft mit blau-weißem Titel jüngst im Briefkasten. „Information für die Umgebung des Forschungsreaktors“ steht darauf. Darin enthalten: Hinweise und Verhaltensregeln für den Fall, dass es am in Berlin-Wannsee gelegenen Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) einen Unfall gibt, durch den radioaktive Stoffe freigesetzt werden. Die Broschüre, die das HZB turnusmäßig nach fünf Jahren neu aufgelegt hat, wird in Potsdam, Berlin, Kleinmachnow und weiteren Gemeinden im Umfeld des Reaktors verteilt.

WAS PASSIERT IM ERNSTFALL?

In Potsdam würde die Bevölkerung über den Rundfunk informiert, zudem würden Lautsprecherwagen der Polizei durch Babelsberg fahren – der Stadtteil liegt wie Kleinmachnow und Berlin-Wannsee im Vier-Kilometer-Radius um den Reaktor, der sogenannten Mittelzone. Dort könnten die Behörden die Evakuierung anordnen. Zunächst wird aber empfohlen, nach einem Reaktor-Unfall in Gebäuden zu bleiben und die Fenster sowie Türen zu verschließen. Das in Wasserwerken kontrollierte Leitungswasser könne weiter getrunken werden. Sollte man sich vorher im Freien aufgehalten haben, sollten Kleidung und Schuhe in Plastikbeutel gesteckt und Hände sowie Haare gründlich gewaschen werden – geduscht werden soll aber erst danach. Gebeten wird, auch Nachbarn über den Ernstfall und die Verhaltensregeln zu informieren.

WIE KOMMEN DIE POTSDAMER AN JODTABLETTEN?

Um die Ablagerung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse zu verhindern, wird die Einnahme von Jod-Tabletten empfohlen. Diese sollen laut der Broschüre vor jeder Haustür in der besagten Mittelzone, also in Babelsberg, abgelegt werden. Zusätzliche Tabletten sollen an Passanten verteilt werden. Für die anderen Potsdamer Stadtteile sind Verteilstellen für die Jod-Tabletten geplant, die im Ernstfall bekannt gegeben werden. Die Jod-Tabletten seien gerade für Kinder, Jugendliche und Schwangere wichtig.

WIE WIRD EINE EVAKUIERUNG ORGANISIERT?

Im Fall einer von den Behörden angeordneten Evakuierung „sollten Personen wenn möglich mit eigenen Fahrzeugen das Gebiet verlassen“. Dazu werde die Polizei Fahrtrouten vorgeben, das Autoradio sollte daher eingeschaltet bleiben. Zusätzlich würden an Sammelplätzen Busse bereitgestellt. Personen aus Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Altenheimen würden gemeinsam evakuiert. Als Notgepäck werden Ersatzkleidung, Medikamente, Ausweise und Geld empfohlen, vorhandene Haustiere sollen ebenfalls mitgenommen werden. Zur Vermeidung von Bränden in dem geräumten Gebiet sollten Gas- und Wasserhähne geschlossen und elektrische Geräte abgeschaltet sein. Danach soll man sich zu einer zentralen „Notfallstation mit Dekontaminationseinrichtungen“ begeben – in Potsdam wäre das die Schwimmhalle am Brauhausberg. Wer nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen kann, soll sich zu einer zentralen Sammelstelle für Notunterkünfte aufmachen. Diese liegt in der Schweizerhof-Schule in der Leo-Baeck-Straße in Berlin-Zehlendorf.

IST DERZEIT EIN UNFALL MÖGLICH?

Nein. Die Wiederinbetriebnahme des Reaktors in Wannsee verzögert sich mindestens bis Frühjahr 2015. Ursprünglich war als Termin das Jahresende genannt worden. Grund für die Verschiebung seien Reparaturen, die verspätet begonnen hätten und noch andauern, teilte das HZB auf Anfrage mit. Wie im Sommer bekannt wurde, ist der Reaktor Ende November 2013 abgeschaltet worden. Zum Unfallrisiko heißt es in der Broschüre, „nur durch extreme Auswirkung von außen könnte es zu so massiven Schäden am Reaktor kommen, dass der Kern schmilzt“ und aus der zerstörten Halle Radioaktivität entweichen kann. Bei allen Arten von Störfällen sei aber durch entsprechende Technik ein „nennenswerter Schaden für die Umgebung ausgeschlossen“. Das sei bereits Bedingung für die Betriebsgenehmigung gewesen.

IST DER REAKTOR EIN SANIERUNGSFALL?

Risse an Dichtungsschweißnähten an einer Trennwand zwischen zwei Reaktorbecken waren in den vergangenen Jahren unerwartet schnell angewachsen. Darin hatte die Atomaufsicht allerdings kein Sicherheitsrisiko gesehen. Dass an der Stelle mehrere feine Risse bestehen, ist seit 2010 bekannt. Nach HZB-Angaben wurden sie immer wieder beobachtet. Da wegen des Einbaus eines besonderen Magneten für weitere Versuche ohnehin eine Abschaltpause geplant gewesen sei, habe man die Reparatur der Risse zeitlich vorgezogen, hieß es im Sommer am HZB. Die betroffenen Nähte werden nun ersatzlos entfernt. Parallel dazu werde wie geplant ein Hochfeldmagnet angeschlossen. Voraussichtlich sollen Magnet und Reaktor ab Frühjahr zusammen in Betrieb genommen werden. Atomkraftgegner und die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hatten im Sommer kritisiert, dass das HZB unzureichend über die Risse und die Abschaltung des Reaktors BER II informiert habe. Ab 2020 haben sie vermutlich keinen Grund mehr zur Kritik. Wie in der Informationsbroschüre bestätigt wird, soll die 1973 in Betrieb genommene Anlage Ende 2019 abgeschaltet werden.(mit dpa)

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