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Beim Freitagsgebet am 23. September müssen zahlreiche Muslime außerhalb der Moschee beten.

© Henri Kramer

Biosphären-Orangerie Potsdam als Ersatzort geprüft: Freitagsgebet unter Orchideen?

Muslime in Potsdam müssen außerhalb ihrer Moschee beten, weil die Räume zu klein sind. Die Stadt prüft nun, ob die Gläubigen die Orangerie der Biosphäre nutzen können. Auch andere Übergangslösungen stehen im Raum.

Potsdam – Die Halle bietet Platz für bis zu 500 Personen, ist zwölf Meter hoch und umkleidet von einer großflächigen Glasfront, sonst finden dort etwa Hochzeiten, Firmenfeiern oder Empfänge mit tropischem Flair statt: Die Orangerie der Biosphäre ist eines der vom Rathaus ins Auge gefassten Objekte bei der Suche nach einem schnell verfügbaren Ausweichquartier für das Freitagsgebet der Muslime in Potsdam.

Wie berichtet müssen wegen des immer größeren Zustroms von Muslimen in die viel zu kleine Al-Farouk-Moschee in der Straße Am Kanal inzwischen schon mehr als 200 Gläubige beim Freitagsgebet auf dem Gehweg in der Ladenzeile beten – mit offizieller Erlaubnis von der Stadtverwaltung. Das sorgt für Unverständnis bei Anwohnern und Passanten, zuletzt war das öffentliche Beten auch ins Visier der rechtspopulistischen AfD geraten.

Hallen-Standorte in der Schiffbauergasse?

Die Stadt prüft nach PNN-Informationen neben der Kamal Abdallah, der Imam und Chef des Trägervereins der Moschee. Auf PNN-Anfrage betonte er am Dienstag aber auch, dass es nur eine Übergangslösung wäre, die nicht von Dauer sein könne. Bei der kommunal betriebenen Tropenhalle Biosphäre wäre das der Fall, die defizitäre Halle soll Ende November 2017 schließen und vermutlich zu einem Stadtteilzentrum umgebaut werden.

Abdallah sagte, am heutigen Mittwoch habe er einen Termin im Rathaus, um sich mit der Stadtverwaltung über das weitere Vorgehen zu beraten. Der Verein selbst könne für eine Moschee derzeit eine Warmmiete von maximal 2000 Euro pro Monat aufbringen, vor allem finanziert aus Spenden von Besuchern. „Das ist für uns die Schmerzgrenze“, so Abdallah. Förderung von der Stadt oder dem Land erhalte man nicht, bewusst verzichte man für die eigene Unabhängigkeit auch auf Gelder von auswärtigen Botschaften oder anderen Moscheen. Angesichts der begrenzten Mittel – viele Gäste seien eben mittellose Flüchtlinge, aber auch deutsche Konvertiten – sei man auch dankbar für die Hilfe aus dem Rathaus, sagte Abdallah. Künftige Ersatzräume für die Moschee müssten keine Luxus-Ausstattung besitzen, betonte er erneut. Allerdings benötige man mehr Platz, um etwa auch bessere Integrationsarbeit für muslimische Flüchtlinge leisten zu können.

Polizei: Straftaten im Zusammenhang mit Moschee nicht bekannt

Abdallah nahm auch zu verschiedenen in sozialen Netzwerken erhobenen Vorwürfen Stellung. So versuche man bei den Gebeten explizit, die Belästigung für Passanten, Anwohner und umliegende Geschäfte möglichst gering zu halten, betonte der Imam. Von der Polizei hieß es auf Anfrage: „Straftaten im Zusammenhang mit der Potsdamer Moschee sind bei uns nicht bekannt.“ Der Imam wiederum erklärte, hinter dem Wohn- und Geschäftsblock, vor dem das Gebet nun stattfindet, könnten sich die Gläubigen nicht versammeln – schon weil dadurch eine Feuerwehrzufahrt und parkende Autos blockiert würden. Die Verlegung des Gebets in den Hof war von Nutzern sozialer Netzwerke gefordert worden. Auch Internetseiten mit politisch deutlich rechtem Hintergrund haben das Thema nunmehr aufgegriffen – mit dem Tenor, dass Muslimen kein Zugeständnis gemacht werden dürfe.

Zuletzt hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs dem neuen Sozialdezernenten Mike Schubert (beide SPD) die Suche nach neuen Gebetsräumen übertragen. Jakobs selbst hatte bereits vor einem Jahr versprochen, den Verein dabei zu unterstützen – bisher erfolglos.

Bund und Land Brandenburg nicht verpflichtet, zu helfen

Auf Hilfe vom Land kann die Stadt dabei nicht automatisch setzen, wie das für Religionsangelegenheiten zuständige Kulturministerium auf Anfrage deutlich machte. „Grundsätzlich fallen solche Fragen in die Selbstverwaltung der Religionsgemeinschaften“, sagte ein Ministeriumsprecher. Es bestehe weder eine bundes- noch eine landesrechtliche Verpflichtung, einzelne Religionsgemeinden zu unterstützen – es sei denn, es liegt ein entsprechender Staatsvertrag vor, in dem solche Fragen geklärt werden. Diese bestünden in Brandenburg mit der katholischen und der evangelischen Kirche sowie dem jüdischen Landesverband. Gleichwohl könne das Ministerium beratend tätig werden, so der Sprecher. Alternativ könne die Stadt freiwillige Hilfe leisten, wie in der Vergangenheit etwa bei der Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Potsdam.

Auch CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken sagte den PNN, seine Partei sehe das Problem vor allem als Angelegenheit der Religionsgemeinschaft, weniger der Stadtverwaltung. „Aber wenn die Stadt eine gute Idee für einen Standort hat, ist das in Ordnung.“ Vor allem Linke-Politiker hatten dagegen das städtische Engagement bei der Suche gefordert. AfD-Parteivertreter hatten wiederum angekündigt, am Freitag wieder einen Info-Stand in der Nähe der Betenden aufbauen zu wollen. Eine Anmeldung lag am Dienstag bei der Polizei noch nicht vor.

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