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Gestaltungsrat Potsdam tagt bald nicht mehr öffentlich: Expertengremium in der Krise

Der Gestaltungsrat wurde eingerichtet, um Bausünden in der Stadt zu verhindern. Nun soll er hinter verschlossenen Türen tagen, um Investoren nicht abzuschrecken.

Potsdam - Mit seiner Hilfe soll Potsdam immer schöner werden. Nun steckt er selbst in einer Bedeutungskrise. Der Potsdamer Gestaltungsrat war vor sechs Jahren installiert worden, um Bausünden in der wachsenden Landeshauptstadt zu verhindern. So mancher Architekt erhielt von dem Expertengremium entscheidende Anregungen zur Verbesserung seines Projektes. Doch mit den Jahren sank die Bereitschaft der Bauherren, ihre Vorhaben im Gestaltungsrat vorzustellen. Schließlich gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, die Expertise des aus Planern und Architekten bestehenden Expertengremiums einzuholen.

Im vergangenen Sommer habe der Gestaltungsrat schon fast aufgeben wollen, sagte Ratsvorsitzende Ulla Luther auf einer Podiumsdiskussion diese Woche im Stadthaus. Der Grund für die Resignation der Architekturexperten: Fast nur noch Einfamilienhäuser seien dem Gremium zur Beurteilung vorgestellt worden. Die Bauherren größerer – und damit tendenziell besonders wichtiger – Projekte hingegen hätten den Gang zum Gestaltungsrat gescheut, stellte Luther fest.

Hoffnung: Wenn die Öffentlichkeit nicht zuhören kann, kommen wieder mehr Architekten

Nun will man den drohenden Bedeutungsverlust dieser Institution aufhalten. Erreicht werden soll dies damit, dass die Sitzungen des Gestaltungsrates künftig hinter verschlossenen Türen stattfinden. Von einem „geschützten Raum“ sprach Stadtplanungschef Andreas Goetzmann. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit, so sein Kalkül, müssten sich die Teilnehmer der Beratungen in Zukunft „nicht dreimal überlegen“, was sie sagen. Goetzmann erinnerte daran, dass beispielsweise auch bei Architekturwettbewerben die Entscheidungsfindung hinter verschlossenen Türen geschehe. „Auch da macht man's nicht auf dem Marktplatz“, meinte der Stadtplanungschef. Die Hoffnung, die hinter dieser Änderung im Verfahren steht: Wenn die Öffentlichkeit nicht zuhören kann, sind womöglich bald wieder mehr Bauherren bereit, den freiwilligen Gang zum Gestaltungsrat anzutreten und sich von dem Expertengremium die Meinung sagen zu lassen. Ratsvorsitzende Luther bedauerte es andererseits zugleich, dass die Architekturdiskussion dann notwendigerweise im stillen Kämmerlein stattfinden muss. Ob es zum grundsätzlichen Ausschluss der Öffentlichkeit in den Ratssitzungen kommt, ist allerdings noch nicht beschlossene Sache. Die Stadtpolitik muss darüber endgültig entscheiden.

Dass ein drohender Verriss in der Öffentlichkeit jedoch für einen Bauherren nicht der einzige Grund sein kann, sein Projekt nicht im Gestaltungsrat vorzustellen, machte in der Podiumsdiskussion am Dienstag Timo Jacob, Geschäftsführer einer Planungsgesellschaft, deutlich: „Es gibt immer auch eine monetäre Seite“, sagte er und stellte zugleich die Frage: „Wer bezahlt denn die Runden?“ Gemeint waren damit die Anhörungen im Gestaltungsrat. Manche Projekte wurden hier gleich in mehreren Sitzungen diskutiert. Und das kostete natürlich Zeit und Geld. Viele Bauherren würden diesen Aufwand inzwischen scheuen, so Jacob.

Selbstkritisch äußerte sich in der Diskussion Andreas Quednau vom Berliner Architekturbüro SMAQ, das für die geplante Neubebauung der Insel Neu Fahrland verantwortlich zeichnet. Als der Gestaltungsrat empfahl, gleich drei Gebäude aus den Planungen zu streichen, sei man freilich nicht sehr erfreut gewesen. Und dennoch meinte Quednau über die Arbeit des Expertengremiums: „Ich denke, das ist eine wertvolle Tätigkeit.“

Dem Gestaltungsrat wurden gute und schlechte Entwürfe vorgelegt

Mehrfach wurde auf der Podiumsdiskussion der Wunsch ausgesprochen, der aus regulär sechs Mitgliedern bestehende Gestaltungsrat möge bei konkreten Bauprojekten früher als bisher einbezogen werden. Mit einer frischen Baugenehmigung in der Tasche sei die Motivation eines Bauherrn eben nicht so hoch, sich noch einmal in die Planungen hineinreden zu lassen, meinte etwa Ulla Luther. Auf die bisherige Arbeit des Gestaltungsrates zurückblickend sagte sie, es seien dem Gremium gute und schlechte Entwürfe vorgelegt worden. Mit geradezu überschwänglichen Lob bedachte sie dabei die Neubauprojekte der Schlösserstiftung. Der Gestaltungsrat hatte unter anderem das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum der Stiftung in der Zimmerstraße für besonders gut befunden. Bei der nördlichen Speicherstadt, deren Planungen vom städtischen Bauausschuss hoch gelobt wurden, senkte Luther hingegen ihren Daumen. Es sei geradezu ein Skandal, was dort vor sich gehe. Ursprünglich sei geplant gewesen, das Areal etwa blockweise an einzelne Bauherren zu veräußern, um eine Vielfalt an Architektur zu erreichen. Dass nun alles an einen Investor gehe, sei abzulehnen.

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