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Landeshauptstadt: Erneute Niederlage vor Gericht

Landgericht: Stadt ohne Anspruch auf Uferstreifen am Griebnitzsee / CDU: „Handfester Skandal“

Landgericht: Stadt ohne Anspruch auf Uferstreifen am Griebnitzsee / CDU: „Handfester Skandal“ Von Michael Erbach Im Streit um die Ufergrundstücke am Griebnitzsee hat die Stadt Potsdam gestern vor dem Landgericht eine weitere Niederlage einstecken müssen. Gleich neun Einstweilige Verfügungen, die die Stadt am 8. Dezember 2004 vor dem Potsdamer Amtsgericht erwirkt hatte, wurden gekippt: sechs Verfügungen durch Urteil der 1. Zivilkammer und drei Verfügungen per Rücknahme durch die Stadt selbst. Die Verfügungen hatten bewirkt, dass in den Grundbüchern der vier verfahrensbeteiligten Grundstückskäufer Eigentumsvormerkungen der Stadt eingetragen worden waren, so dass die Anwohner nicht über das vom Bund erworbene Eigentum verfügen konnten. Die Stadt wollte damit erreichen, dass sie für den Fall, dass Potsdam doch noch ein Erwerbsrecht für den Uferstreifen zugestanden wird, leichter an die Grundstücke herankommen kann. Nach dem gestrigen Urteil sind die vier Grundstückserwerber nunmehr rechtmäßige Eigentümer ihrer Grundstücke. Der Vorsitzende Richter begründete die Rücknahme der Verfügungen damit, dass die Stadt kein einklagbares Recht auf den Erwerb der 1961 im Zuge der Errichtung der DDR-Grenzanlagen enteigneten Grundstücke habe. Mit dem Mauergesetz sollte eine „Wiedergutmachung von Teilungsunrecht erfolgen“. Dem Bund, der nach dem Fall der Mauer Eigentümer der Grundstücke wurde, sei durch das Gesetz die alleinige Entscheidungsbefugnis für den Verkauf der Grundstücke zugestanden worden. Bereits das Cottbuser Landgericht hatte bereits am 24. Januar festgestellt, dass Potsdam „keinen einklagbaren Anspruch auf Erwerb“ der Ufergrundstücke am Griebnitzsee habe. Dennoch hält die Stadt weiterhin daran fest, vorrangig erwerbsberechtigt zu sein, um nach dem Kauf am Griebnitzsee einen öffentlichen Uferpark errichten zu können. Finanzbeigeordneter Burkhard Exner ließ offen, ob er gegen die gestrigen Urteile in Berufung werde. „Wir warten die schriftliche Begründung ab.“ Vor dem Landgericht Cottbus ist ohnehin noch das Hauptsacheverfahren anhängig, mit dem die Stadt ein Vorkaufsrecht durchsetzen will. Die Verwaltung stützt sich dabei auf die Überzeugung, dass der Bund die Möglichkeit habe, die Grundstücke auch an Dritte zu veräußern. Öffentlich-rechtliche Vorgaben und verfassungsrechtliche Aufgaben, wie die Aufforderung in der Landesverfassung an die Kommunen, der Allgemeinheit den Zugang zur Natur frei zu halten und gegebenenfalls sogar zu eröffnen, seien vom Bund nicht berücksichtigt worden. Bei objektiver Abwägung müsse die Entscheidung zugunsten der öffentlichen Hand fallen. Die Haltung der 1. Zivilkammer von gestern, Fragen des öffentlichen Rechts nicht zu prüfen, könne „nicht überzeugen“. Rechtsanwalt Christoph Partsch, der gestern drei der Anwohner vertrat, widersprach dieser Auffassung. Die in der Verfassung festgelegten Staatszielbestimmungen seien für den Bund als Grundstücksverkäufer „nicht bindend“. Partsch kritisierte die Verwaltung, die „Steuergelder verbrenne“ in Prozessen, „bei denen wir lange vorher gesagt haben, dass die Stadt verlieren wird“. Allein von den Kosten der gestrigen Verfahren „könnte eine Sozialarbeiterstelle bezahlt werden.“ Unterdessen wächst der politische Druck auf Oberbürgermeister Jann Jakobs und Exner, gegen den bei der Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Verdachts des Prozessbetruges läuft. CDU-Fraktionschef Götz-Thorsten Friederich sprach gestern angesichts der Prozesskosten von „schierem Wahnsinn“. Jakobs habe „wider besseren Wissens etwas losgetreten, was absehbar sowohl rechtlich und finanziell, als auch politisch unhaltbar war und ist“. Fakt sei, dass der frühere Grenzerweg nicht öffentlich gewidmet sei und die Stadt keinen Erwerbsanspruch auf die Ufergrundstücke habe. „Das Ziel, der öffentliche Weg, kann nur über Verhandlungen erreicht werden“, so Friederich. Aus einer Posse sei ein „handfester Skandal“ geworden. Jakobs und Exner drohten „zwingend entsprechende Disziplinarverfahren“. Wie Exner am Abend betonte, gäbe es Signale, die auf eine „Gesamteinigung mit allen Eigentümern“ hindeuteten. Im Übrigen würden trotz des Urteils für den gesamten Uferstreifen weiter Betretungsrechte für die Allgemeinheit gelten.

Michael Erbach

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