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Die Geschichte der Villa Herzfeld in Potsdam: Eine Villa mit verschiedenen Gesichtern

Zum Auftakt der Salongespräche in der Villa Herzfeld am Park Charlottenhof wurden die wechselvolle Geschichte des Hauses und das Leben der Familie Herzfeld beleuchtet.

Potsdam - So könnte es sich hier zum Anfang des vorherigen Jahrhunderts zugetragen haben: Der Hausherr lädt zum Salongespräch. Ein kleiner Kreis von vielleicht 30 Menschen folgt der Einladung in die vorzüglich ausgestattete Villa am Rande des Parks Charlottenhof in Potsdam. Man spricht über Themen, die die Stadt bewegen, womöglich über Kunst und wahrscheinlich ist gelegentlich die Neue Welt, Amerika, ein Thema, denn dort wurde der Hausherr der Villa einst geboren.

Schnitt, wenige Jahrzehnte später: Im Keller derselben Villa sitzen vier junge Menschen gefangen in ihren Zellen. Sie sind noch nicht einmal volljährig. Irgendwann führt man sie hinauf in den ehemaligen Gartensalon der Villa, einen Raum mit Blick auf den Park Charlottenhof. In diesem großzügigen Zimmer, wo es noch Jahrzehnte zuvor geistreich zuging, erwartet die vier Potsdamer Schüler nun: ihr Todesurteil. Der Tatvorwurf: Sie hatten den Russischunterricht geschwänzt.

Zuerst gehobenes Bürgertum, dann ein sowjetisches Militärtribunal

Was kann unter diesen Umständen der Genius loci, der Geist des Ortes, sein? Hat doch in dieser Villa die menschliche Zivilisation so verschiedene Gesichter gezeigt: Da war der Potsdamer Anwalt Gustav Herzfeld, der sich um 1903 – offenbar aus dem Erbe seines Vaters – eine prächtige 1000-Quadratmeter-Villa nahe am Schlosspark in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße errichten ließ. Gehobenes Bürgertum also. Aber hier residierte eben auch für kurze Zeit ab 1945 ein sowjetisches Militärtribunal, das mit brutalen Urteilen, fernab jeder Rechtsstaatlichkeit, für Angst und Verzweiflung sorgte. Mithin niederste Diktatur.

Die heutigen Hausherren der neobarocken Villa in der Geschwister-Scholl- Straße 54, der Unternehmer Dirk Westerheide und seine Ehefrau Claudia, wollen künftig mit Salongesprächen in der Villa dafür sorgen, dass die Zivilisation sich hier fortan von ihrem freundlichen Gesicht zeigt. Beide bewohnen das prächtige Anwesen erst seit wenigen Jahren. Am Dienstag fand die erste Veranstaltung dieses Formats statt. Zum gepflegten Austausch in noblem Rahmen erschienen knapp 30 Menschen. Viele Juristen, auch Mediziner und Menschen aus der Nachbarschaft waren der Einladung gefolgt.

Familie Herzfeld baute die Villa 1903

Die Villa selbst ist so geräumig, dass man bequem im Wohnzimmer Platz findet. Eindruck macht der Bau auf den Besucher bereits von der Straße aus. Vier Pilaster gliedern die wohlproportionierte Fassade. In der Mitte ragt dezent ein Balkon hervor. Eine elegante Freitreppe führt den Besucher auf eine geschwungene Terrasse, von der aus er durch den Haupteingang ins Haus gelangt. Im Atrium offenbart sich weiter die Pracht des Anwesens. Eine von Säulen gesäumte Galerie umrundet das Atrium. Darüber wölbt sich die Decke mit einer Oberlichtverglasung.

Auf der Veranstaltung am Dienstagabend berichtete der Historiker Sascha Topp über Stationen im Leben von Gustav Herzfeld, dem Erbauer der Villa. Der Jurist Herzfeld wurde am 7. Mai 1861 in New York geboren. Sein Vater, der ein Vermögen an der New Yorker Börse gemacht hatte, starb 1901. Um 1900 ließ sich Herzfeld junior in Berlin nieder. Die Familie kam ursprünglich aus Europa, bevor sie nach Amerika ausgewandert war. Um 1903 ließ Herzfeld für sich und seine Familie die Villa am Park Charlottenhof errichten. Die Architekten waren Ludwig Otte und womöglich auch Otto Wipperling. In Potsdam arbeitete Herzfeld als Anwalt. Im Jahre 1908 konvertierte der Jude Herzfeld zum Christentum. Getauft wurde er in der Petrikirche in Berlin-Mitte.

Ein Stolperstein erinnert nun an Herzfeld

Wegen seiner jüdischen Wurzeln verfolgte man Herzfeld unter den Nazis. 1942 wurde er ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Seine Ankunft dort ist für den 4. Oktober 1942 dokumentiert. Bereits am 27. Oktober desselben Jahres verstarb er. Vor seinem Wohnhaus in Bornim, in dem er nach seiner Zeit in der Villa Herzfeld bis kurz vor seiner Deportation lebte, wurde kürzlich ein Stolperstein für ihn verlegt.

In der Weimarer Zeit war die Villa Herzfeld am Park Charlottenhof an den Kiepenheuer-Verlag vermietet. Nach dem Zweiten Weltkrieg residierte hier für einige Zeit das sowjetische Militärtribunal, das unter anderem den Potsdamer Schüler Hermann Schlüter wegen des geschwänzten Russischunterrichts zum Tode verurteilte.

Im Gegensatz zu seinen Mitschülern wurde Schlüter jedoch nicht hingerichtet – wohl weil er der Jüngste in der Gruppe war, wie sein Enkel Andreas Schlüter auf der Veranstaltung berichtete. 1950 wurde Hermann Schlüter aus der Haft, die er an verschiedenen Orten absaß, entlassen. Noch heute, inzwischen 87-jährig, lebt er in Potsdam.

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