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Schüchtern und nuanciert. Ludovico Einaudi beim Konzert im Saal von Radio 1. Den Flügel mussten mehrere starke Männer hochtragen, er war zu groß für den Fahrstuhl.

© Andreas Klaer

Ludovico Einaudi zu Gast in Babelsberg: Eine gleichförmige Melancholie

Der Pianist Ludovico Einaudi spielt beim 3. Loungekonzert von Radio Eins Gute-Nacht-Musik. Bei vielen Schülern scheint das anzukommen.

Potsdam - So hautnah wie beim Loungekonzert im Studio von Radio Eins vom Rbb dürften nur sehr wenige Zuhörer den Pianisten Ludovico Einaudi erlebt haben. Denn der gefeierte Komponist, der unter anderem die Musik zu dem berührenden Film „Ziemlich beste Freunde“ geschrieben hat, füllt mit seiner Schmusemusik die größten Konzertsäle in ganz Europa. Im lauschigen Studio sitzen am Sonntag 60 auserwählte Hörer, um Ausschnitte aus Einaudis neuem Album „Elements“ zu hören, mit dem er derzeit auf Tour ist.

Nach einer kurzen Begrüßung zieht sich die Moderatorin Silke Super zurück. Ihr Gesprächsthema drehte sich hauptsächlich darum, wie man den mächtigen Steinway-Flügel in das Studio an der Marlene-Dietrich-Allee in Babelsberg hochbekommen hatte. So etwas hat es wohl bei Radio Eins noch nicht gegeben. Im Fahrstuhl ging es doch nicht, also mussten starke Männer ran – Applaus dafür. Etwas mehr Aufmerksamkeit für den Gast, der auf dem vorhandenen E-Piano nicht spielen wollte, wäre schön gewesen. Immerhin gehört der 1955 in Turin geborene Komponist, der am Verdi-Konservatorium in Mailand studiert hat – unter anderem beim Avantgarde-Komponisten Luciano Berio – zum zeitgenössischen musikalischen Leben von Italien. Im Studio von Radio Eins wirkt der zierliche Mann fast schüchtern, als er ganz auf sich allein gestellt am Klavier zu spielen beginnt. Dass er außerdem durch sein Programm führen muss, behagt ihm sichtlich nicht. Doch er wahrt die Fassung und gibt wie gewünscht vor oder nach den Stücken kleine Erläuterungen zu den Titeln. Dabei fürchtet er, dass die Musik verdorben würde, wenn man darüber spricht, wie er erklärt.

„Das ist die klassische Musik, die ich in der Schule im Musikunterricht hören will“

Ludovico Einaudi spielt auswendig, oft improvisiert er und schmilzt auch mal zwei Stücke zusammen. In der Tat ändern seine Worte nichts am Eindruck der Stücke, die, nun ja, ziemlich gleichförmig klingen, beruhigende Gute-Nacht-Musik zum Träumen, im Gleichmaß von Tempo, Dynamik und mittleren Registern. Eine zärtliche Melancholie durchzieht manch ein Werk, wie in Una mattina. Man kann das schon mögen, wie begeisterte Kommentare im Internet beweisen: „Das ist die klassische Musik, die ich in der Schule im Musikunterricht hören will“, steht da, „und nicht Bach und Co., die einem als Schüler aufgezwungen werden.“ Jemand anderes schreibt: „Für mich ist Einaudi der größte Künstler der Welt.“ Hier offenbaren sich Musikwelten jenseits von Klassik und Pop, die offensichtlich auf großen Zuspruch treffen. Musiklehrer aufgepasst: „ das ist so schöne Musik, aber wir Kids bekommen einen grundsätzlichen Hass auf die Klassik, weil wir sie hören MÜSSEN. Spielt Einaudi in der Schule und 2 von 20 würden anfangen wollen Klavier zu spielen ...“, schreibt ein anderer.

Leise, melodisch, nuanciert, filigran und handgemacht ist diese Musik, aber auch immer im gleichen, simplen Muster, das einmal gefunden stets wiederkehrt. Auf den zweiten Blick ist die Distanz zur sogenannten Klassik gar nicht mehr so groß. Schließlich hatte schon Johann Sebastian Bach manchmal ganz ähnlich komponiert, wie sich bei der Zugabe mit ihren leisen Anklängen an das erste Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier zeigt. Das Konzert wird noch zwei Wochen lang auf der Seite vom Radio Eins im Video gezeigt. 

Babette Kaiserkern

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