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Vor Ort. Der Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink in der Nikolaikirche.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Ein zweites Leben für eine alte Königin

Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink baut die neue Orgel in der Nikolaikirche

Ein ganz neuer Klang wird es sein. Kräftig und farbenreich. Wenn in zweieinhalb Jahren die neue große Orgel in der Potsdamer Nikolaikirche am Alten Markt eingeweiht wird, dann werden die Gottesdienstbesucher eine Klangwelt entdecken dürfen, auf die so mancher Besucher dieses Gotteshauses wohl schon Jahrzehnte gewartet hat. An historischer Stelle in der Kirche, dort, wo bis zum April 1945 eine große Orgel stand, wird dann wieder die Königin der Instrumente erklingen – zur Ehre Gottes und zur Freude der Kirchenbesucher. So Gott will, wie Christen zu sagen pflegen, wird das neue Instrument im Advent 2016 eingeweiht.

Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink, in dessen Werkstatt die neue Königin entstehen soll, sowie der Kantor und Organist der Nikolaikirchengemeinde, Björn O. Wiede, gaben am gestrigen Sonntag im Anschluss an den Gottesdienst in einem Orgelcafé Auskunft über das Projekt, mit dem die letzte große, durch Kriegseinwirkung entstandene Lücke in der Nikolaikirche geschlossen werden soll. Kreienbrink, der seine Werkstatt in Georgsmarienhütte nahe Osnabrück hat, wird für die neue Orgel viele Teile eines Instrumentes verwenden können, das einst unter der Ägide von Kreienbrinks Vater entstanden ist. Denn im Jahre 1971 baute der Senior für die Benediktinerabtei Königsmünster im nordrhein-westfälischen Meschede eine Orgel, die dort vor wenigen Jahren zugunsten eines neuen Instrumentes weichen musste. Für die Orgel in der Potsdamer Nikolaikirche wird Kreienbrink nun rund zwei Drittel des Pfeifenwerks vom Instrument aus Meschede übernehmen, wie Nikolaikantor Wiede am Sonntag erläuterte. Zudem kann der Orgelbauer auch zwei Windladen – das sind zentrale Bauteile für die Windversorgung der Pfeifen – aus der alten Orgel übernehmen.

55 Register, verteilt über drei Manuale und das Pedal, soll das künftige Instrument haben. Register nennt man die unterschiedlichen Klangfarben einer Orgel, Manuale sind die Tastenreihen im Spieltisch. Die Gesamtinvestitionssumme für das große Instrument, das auf der Orgelempore über dem Haupteingang der Nikolaikirche Platz finden soll, beziffert Wiede auf knapp eine Million Euro. Der Organist erinnerte auf der Veranstaltung am Sonntag daran, dass mit dem Bau der neuen Orgel ein jahrzehntealter Wunsch der Gemeinde nun in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen kann. Entscheidenden Anteil daran, dass die Arbeiten jetzt beginnen können, hat die konservative Stiftung Preußisches Kulturerbe (SPKE) um den Ex-Bundeswehroffizier Max Klaar. Seine Stiftung hatte sich kürzlich wegen inhaltlicher Differenzen zur Garnisonkirchenstiftung von ihrem ursprünglich beabsichtigten Engagement für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche zurückgezogen und zugleich angekündigt, einen Teil des für die Garnisonkirche gedachten Geldes für den Orgelneubau in der Nikolaikirche zur Verfügung zu stellen (PNN berichteten). Nikolaikantor Wiede bezifferte die Spende der SPKE auf 500 000 Euro.

Der Orgelprospekt, also die Schauseite des Instruments, wird Anleihen an den historischen Prospekt des Vorgängerinstruments nehmen, ohne allerdings die frühere Ansicht der Orgel zu imitieren. Die Denkmalpflege, so Wiede, wünsche keine größtmögliche Annäherung an das Original, da es keine exakten Pläne für das alte Instrument gebe, und jeder Versuch der Rekonstruktion daher ungenau bleiben würde. Das Klangbild der neuen Orgel beschreibt Wiede mit „hell und klar – vor allem klar“. Schon jetzt freut sich der Organist auf das neue Instrument: „Es wird grandios für romantische Musik sein“, aber auch klar genug „für den großen Bach“. Ein vergleichbares Instrument finde sich in Potsdam nicht. Die Orgel werde insgesamt heller als die vor einigen Jahren erbaute Woehl-Orgel in der Friedenskirche klingen, aber auch nicht so neobarock wie das 1964 von der traditionsreichen Potsdamer Orgelbaufirma Schuke geschaffene Instrument in der Erlöserkirche. Diese 50 Jahre alte Schuke-Orgel komme unter den Potdamer Instrumenten vom Klang her der geplanten Kreienbrink-Orgel aber noch am nächsten, sagt Wiede. Die neue Orgel in der Nikolaikirche wird zwei Schwellwerke besitzen – und damit umfängliche Möglichkeiten, den Orgelklang stufenlos in der Lautstärke zu verändern.

Dass die Nikolaikirchengemeinde als Grundstock für die geplante Orgel das Instrument aus Meschede ankaufen konnte, daran hat Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink maßgeblichen Anteil. Im Auftrag der Gemeinde schaute sich Kreienbrink zunächst verschiedene Instrumente an, die potenziell dafür infrage kamen, für die Orgel ausgeschlachtet zu werden. Denn aus Kostengründen hatte man sich schon vor längerer Zeit entschieden, auf einen Mix aus Alt und Neu zu setzen. Nicht sofort fand Kreienbrink etwas Passendes. Eines Tages aber erfuhr der Orgelbaumeister, dass die Benediktiner in Meschede ihre erst 40 Jahre alte Orgel gern abgeben möchten. „Ich hab jetzt was, das für euch passen könnte“, habe er den Potsdamern daraufhin mitgeteilt. Die Benediktinermönche und die Potsdamer Protestanten vom Alten Markt wurden sich handelseinig. 2011 kaufte die Kirchengemeinde die Orgel an. In der Folgezeit bereitete Kreienbrink die Ausschreibung vor. Er habe die technischen Parameter der Orgel „zusammengestellt als Basis für die Ausschreibung“, erklärte der Orgelbaumeister am Sonntag, an dem er zugleich seinen 58. Geburtstag beging. Im vergangenen Jahr lief dann die förmliche Ausschreibung, die Kreienbrink gewann. Die Entscheidung für den Orgelbauer aus Georgsmarienhütte fiel laut Wiede Anfang dieses Jahres.

Das Vorgängerinstrument in der Nikolaikirche, das infolge sowjetischen Artilleriebeschusses am 26. April 1945 ein Opfer der Flammen wurde, hatte im Jahre 1908 die Firma Sauer aus Frankfurt an der Oder erbaut. Die damalige Orgel besaß ebenfalls drei Manuale und sogar ein Glockenspiel. Beim Bau der Orgel verwendete Sauer große Teile des damaligen Vorgängerinstruments, einer vom Potsdamer Orgelbauer Gottlieb Heise im Jahre 1837 erbauten Orgel.

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