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Die 38-jährige Saliye schaffte es mit ihren Kindern bis nach Deutschland. Ruhe würde ihr jetzt gut tun.

© A. Klaer

PNN-Aktion: Potsdam schenkt: Ein Leben lang Flucht

Saliye und ihre sieben Kinder flohen vor den Taliban aus Afghanistan – erst in den Iran und dann nach Potsdam. Jetzt sitzt die alleinerziehende Mutter in ihrer Unterkunft in Potsdam – und wünscht sich einen Besuch im Kosmetik.

Von Katharina Wiechers

Geben bringt Segen: Zur Weihnachtszeit den Nächsten helfen – das wollen wir, die Potsdamer Neuesten Nachrichten, gemeinsam mit Ihnen, unseren Lesern. Mehr als 2000 Flüchtlinge sind in den vergangenen zwei Jahren in Potsdam aufgenommen worden. Fast alle haben ihre Heimat verlassen, um Gewalt und Krieg zu entkommen. Mit dem Nötigsten sind sie versorgt. Doch vieles andere zum Leben und Ankommen fehlt. Wir haben Menschen in der Flüchtlingsunterkunft Am Brauhausberg gefragt, was ihnen eine Freude machen würde – und bitten Sie, liebe Leser, um Ihre Mithilfe, einen Weihnachtswunsch zu erfüllen.

Saliye und ihre sechs Kinder haben es in der Unterkunft auf dem Brauhausberg schon zu einiger Bekanntschaft gebracht. Nicht nur, dass sie schlichtweg viele sind. Saliyes Kinder sind auch besonders aufgeweckt. Vor allem die neunjährige Sahra hat ihre Nase überall, weiß über fast alles Bescheid und ist blitzgescheit – so hat sie in wenigen Monaten fast perfekt Deutsch gelernt. Dabei hat Sahra in ihrem kurzen Leben schon mehr Schreckliches erlebt, als für viele zu ertragen wäre.

Aufgewachsen sind Sahra und die anderen mit ihren Eltern in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Doch vor fünfeinhalb Jahren ereignete sich eine schreckliche Tragödie: Die Taliban ermordeten den Vater, Saliyes Mann. Ein Onkel zwang die eine Tochter, die Leiche des Vaters zu sehen – warum, vermag heute keiner mehr zu erklären. Leiden muss die 16-Jährige bis heute darunter.

Flucht vor den Taliban mit sieben Kindern

Aus Angst vor weiteren Gräueltaten der Taliban floh die heute 38-jährige Saliye in den Iran, alleine mit ihren sieben Kindern – der jüngste Sohn war damals gerade mal ein paar Wochen alt. Vier Jahre blieb die Familie in dem Nachbarland, sie lebten mehr schlecht als recht, wie die meisten afghanischen Flüchtlinge im Iran. Mit einem Job auf dem Friedhof hielt Saliye die Familie über Wasser, wusch dort die Grabsteine.

Doch dann wurde eine ihrer Töchter ernsthaft krank, sie war damals 13, und Saliye entschloss sich erneut zur Flucht. Diesmal wollte sie mit ihren Kindern nach Europa. Die älteste Tochter hatte sie schon alleine vorgeschickt, die heute 18-Jährige schlug sich bis nach Schweden durch – dorthin wollte auch Saliye.

Das Schiff sank im Mittelmeer, doch alle überlebten 

Mit den sechs Kindern reiste sie also in die Türkei, heuerte dort einen Schlepper an, der sie mit dem Boot über das Meer in das EU-Land Griechenland bringen sollte. Die Überfahrt war dramatisch, das Schiff sank und die Familie landete im Wasser, wie Saliye erzählt. Alle Papiere waren weg, doch alle überlebten – wenn auch knapp. Fereshte, die Zweitälteste, sei vier Stunden bewusstlos gewesen.

Doch die Sieben rappelten sich auf, folgten dem Flüchtlingstross gen Norden, und landeten schließlich in Deutschland – hier wurden sie erstmals registriert, hier bekamen sie Asyl gewährt, weiter nach Schweden dürfen sie deshalb vorerst nicht. Saliye versteht das nicht, sie will zu ihrer ältesten Tochter, die im Übrigen einen dreijährigen Aufenthaltsstatus bekommen habe, sie und die anderen Kinder in Deutschland nur einen einjährigen, wie Saliye mit Unverständnis sagt. Sie ist eine starke, selbstbewusste Frau, sie will für sich und ihre Kinder kämpfen.

Sich nach den Strapazen einmal verwöhnen lassen

Doch nun bleiben sie erstmal in Potsdam, auf dem Brauhausberg fühlen sie sich einigermaßen wohl. Natürlich hätte die Familie noch lieber eine eigene Wohnung, doch so eine große Bleibe muss erstmal gefunden werden. Was sie sich zu Weihnachten wünschen? Die Töchter Sahra und Fereshteh, die mittlerweile dazugekommen sind, sprudeln sofort los, ihnen fällt einiges ein, teure Dinge, unrealistische Wünsche. Am Ende sind sich alle einig, dass es vor allem die Mutter ist, die sich etwas wünschen sollte. Sie denkt nach und sagt schließlich, dass sie gern einmal wieder etwas für ihr Äußeres tun würde nach all den Strapazen. Ein Besuch im Kosmetiksalon, sich einmal richtig verwöhnen lassen, das wäre es.

Nachtrag der Redaktion: Liebe Leser, wir sind beeindruckt von Ihrer Großzügigkeit. Über 50 Menschen haben sich in den vergangenen Wochen in der Redaktion gemeldet und wollten einen der Wünsche erfüllen. Alle Geschenke konnten mittlerweile eingesammelt und an die Vorgestellten übergeben werden - und noch vieles darüber hinaus. Wer weiterhin etwas für Flüchtlinge spenden möchte, kann sich jederzeit an die zentrale Spendensammelstelle der Stadt in der Drewitzer Slatan-Dudow-Straße wenden oder sein Angebot beim Spendenportal helpto.de einstellen. Helfende Hände werden auch bei vielen Potsdamer Initiativen gebraucht, etwa beim Verein "Hand in Hand" oder der Flüchtlingshilfe Babelsberg.

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