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Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts.

© Sebastian Gollnow/dpa

Diskussion zum Jahrestag des „Tags von Potsdam“: Ein Plädoyer für die Demokratie

Am Vorabend des 90. Jahrestags des "Tags von Potsdam" diskutierte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts in der Landeshaupstadt.

„Der Tag von Potsdam ist eine Chiffre für die Machtergreifung des Nationalsozialismus in den ersten Wochen und Monaten des Jahres 1933“, sagt der Berliner Historiker Paul Nolte. „Es war ein Tag in einem Prozess der Radikalisierung, der die ersten Monate des Jahres 1933 bestimmt hat.“ Die Eröffnung des Reichstags in der Potsdamer Garnisonkirche und der symbolische Händedruck seien Teile einer Inszenierung gewesen, die dazu beigetragen habe, Teile des konservativen Bürgertums auf die Seite Hitlers zu ziehen.

Demokratie ist unter Druck gekommen

90 Jahre später war der „Tag von Potsdam“ Anlass für eine Podiumsdiskussion, bei der es darum gehen sollte, wie sich derartige Szenen künftig verhindern lassen. Unter der Überschrift „Wehrhafte Demokratie“ hatte die Stiftung Garnisonkirche unter anderem den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, nach Potsdam eingeladen. Er verwies auf die im Grundgesetz vorgesehenen Schutzmechanismen des demokratischen Rechtsstaats: Dazu gehörten etwa die Maßnahmen eines Parteien- und Vereinsverbots. „Wenn Sie in die Welt schauen, habe ich nicht den Eindruck, dass sich Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit derzeit in einem Siegeszug befinden“, sagte Harbarth. „Ich glaube eher, sie sind unter Druck gekommen.“ Deutschland sei deswegen gut beraten, diese Mechanismen in der Rechtsordnung zu belassen - freilich in der Hoffnung, sie auch künftig nicht zu benötigen. „Es wäre leichtfertig, sie aus der Rechtsordnung zu streichen.“

Deutlicher noch wurde Brandenburgs frühere Kulturministerin Martina Münch (SPD), die heute als Sozialbürgermeisterin in Leipzig tätig ist. „Eine Demokratie ohne Demokraten kann nicht funktionieren“, sagte Münch. „Da haben wir nach wie vor große Defizite.“ Die repräsentative Demokratie werde zunehmend weniger akzeptiert. Vielmehr werde Demokratie oft als ein System missverstanden, in dem sich eine Person mit seiner Meinung durchsetzen könne. „Aber wenn der, der auf demokratische Regeln pocht, erlebt, sich nicht durchsetzen zu können, schwindet die Begeisterung für die Demokratie schnell.“

Und natürlich spielte beim Thema „Wehrhafte Demokratie“ auch der erstarkende Rechtsextremismus eine Rolle. So warnte Stäblein davor, dass man in Brandenburg zunehmend völkische Bewegungen erlebe, die sich im ländlichen Raum niederließen. „Wehrhaft sein heißt heute auch wachsam sein.“ Und Nolte warnte vor den Erfolgen der AfD. „Die Beschleunigung einer Wählerdynamik, wie wir sie bei den letzten Landtagswahlen erlebt haben, fordert die wehrhafte Demokratie heraus.“ Weswegen man sich auf dem Podium der Nagelkreuzkapelle in manchen Konsequenzen auch sehr einig war: Gebraucht werden auch heute noch die Demokratiebildung und eine starke Zivilgesellschaft.

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