zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Den Faschismus noch in den Knochen

Am 14. April berichten die PNN, dass die Potsdamer Aktionsgemeinschaft gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche für den 15.

Am 14. April berichten die PNN, dass die Potsdamer Aktionsgemeinschaft gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche für den 15. April 2005 eine Gegendemonstration gegen die Grundsteinlegung plant. Die Demonstration soll unter dem Motto stehen: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus: Gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche.“ Man kann nun für oder gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche sein. Aber in diesem Aufruf scheint mir einiges nicht zu stimmen. Zumindest kommt man zum Nachdenken. Ich möchte die Initiatoren in dieses Nachdenken mit hineinnehmen: Dass sich genügend Menschen für eine Demonstration finden werden, scheint mir sicher zu sein. Es gibt immer Menschen, die gern marschieren und gern „dagegen“ sind. Aber die will man sicher nicht haben. Es geht doch darum, dass unser Land nie wieder Krieg führen darf. Da sind wir, die wir einen, zum Teil auch zwei Weltkriege, erlebt haben, einer Meinung. Genau so liegt uns das Entsetzen über den Faschismus noch immer in den Knochen. Aber was hat das mit der Garnisonkirche zu tun, die einige Stunden – gegen den Beschluss des Gemeindekirchenrates – von Hitler für seine Show missbraucht wurde? Einige Stunden in einer langen Geschichte. Warum hat Hitler diese Kirche als Kulisse für seine Show verwendet? Weil sie ein Symbol war für beste deutsche Tradition. Diese Kulisse braucht er. Dann, so hoffte er, würden ihm die Deutschen eher folgen, Er, der angebliche Vollstrecker dieser Tradition! Wie sah diese Tradition in Wirklichkeit aus? Wie haben wir sie damals empfunden? Ich will versuchen, es zu sagen. Ich habe viele Jahre unter dem Glockenspiel gelebt und bin in der Garnisonkirche eingesegnet worden. Pfarrer Koblank, der als „Hausherr“ bei der Feierlichkeit am 21. März 1933 dabei sein musste – man sieht ihn auf den einschlägigen Fotos der damaligen Zeit – hat mich eingesegnet. Als ich ihn später wieder traf, er war wieder Gemeindepfarrer, war er zutiefst verbittert. Ihre Botschaft hat diese Kirche an jedem neuen Tag durch ihr Glockenspiel verkündet: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und „Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab“. Das war ihre Botschaft, die sie unüberhörbar in die Herzen der Menschen sang. Sie werden fragen: Aber sie war doch Garnisonkirche, also für die Soldaten da. Sicher! In Deutschland gab es viele Garnisonkirchen und in anderen Ländern auch, auch wenn sie nicht immer diesen Namen trugen. In eine Garnison gehört nun einmal eine Garnisonkirche und gehören Seelsorger, zu denen Soldaten gehen können. Militär wird es leider geben müssen, solange Menschen Krieg führen, damit das eigene Land geschützt wird. So wie es leider Polizei geben wird, solange gestohlen und gemordet wird. Bekannt ist Ursprung der Brandenburger Armee, die der Große Kurfürst schaffen musste, weil das Land im Dreißigjährigen Krieg von seinen Nachbar total zerstört wurde. Entscheidend ist – und darin sind wir uns alle einig –, dass eine Armee nicht zum fröhlichen Krieg führen missbraucht werden darf. Die wieder aufgebaute Kirche soll ein Versöhnungszentrum werden. Coventry, die wohl erste Stadt, die im letzten Weltkrieg durch eine Art Flächenbombardement zum Opfer fiel, und Potsdam sind als Versöhnungszentren verbunden. Zum Zeichen soll ein Nagelkreuz aus Coventry vor der Kirche stehen. Ich habe einen Traum durch viele Jahre gehabt: Dass unsere Armee einmal, statt Krieg zu führen, ihre Aufgabe darin sieht, bei Katastrophen und anderen Notfällen im In- und Ausland zu helfen. Und nun erleben wir derartige Dinge. Einen anderen Traum haben wir alle kaum zu träumen gewagt: Dass die europäischen Länder, die Jahre lang erbitterten und hasserfüllten Krieg miteinander geführt haben, sich zusammenfinden könnten. Und nun geschieht es! Wilhelm Stintzing Potsdam

Wilhelm Stintzing

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false