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Von Guido Berg: Dem Frost getrotzt

Eisbrecher und Improvisationstalent helfen beim Bau der Trambrücke

Erst der Sondereinsatz eines Eisbrechers ermöglichte gestern früh den Weiterbau der neuen Trambrücke in Potsdams Mitte. Drei Schubverbände, beladen je mit einer 35 Tonnen schweren Stahlkonstruktion, waren am Vortag in Genthin bei der Firma Sibau in Richtung Potsdam gestartet. Über den Elbe-Havel-Kanal erreichten sie den Hafen Ketzin. Gestern früh ging es weiter über den Sacrow-Paretzer-Kanal in den Jungfernsee, wo es dann passierte: Die 65 Meter langen Schubschiffe schafften in der knappen eisfreien Rinne die Rechtskurve nach Süden nicht, sie verkeilten sich im Haveleis. Erst der eilends herbeigerufene Eisbrecher des Schifffahrtsamtes konnte die Schiffe freibrechen. Der Chef des Potsdamer Sanierungsträgers, Erich Jesse, habe „wie Leonardo di Caprio und Kate Winslet bei der Titanic“ am Bug des Eisbrechers gestanden, und von dort den Einsatz dirigiert, witzelte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs gestern, als er am frühen Nachmittag auf der Langen Brücke die Montage der Stahlkolosse beobachtete.

Statt bereits um acht Uhr am Morgen trafen die Schubverbände erst kurz nach 10 Uhr in der Alten Fahrt ein. Doch damit waren noch nicht alle Kälteprobleme behoben: Die zweistelligen Frosttemperaturen hatten den Diesel und die Hydraulik des Großkranes einfrieren lassen, mit denen die Stahlteile angehoben werden sollten. „Bei 20 Grad Minus fängt Diesel an zu flocken“, wusste der Oberbürgermeister zu fachsimpeln. Erst „die russische Methode“, so Jesse, machte den Kran wieder einsatzbereit: „Feuer machen unterm Motor“. Der Grund, der Kälte zu trotzen, ist ein monetärer: Den Kran zu mieten kostet „richtig viel Geld“, erklärte Jesse.

Unter den Blicken zahlreicher Neugieriger auf der Langen Brücke – und nicht weniger Schwäne auf der Alten Fahrt – konnte der Kran im Laufe des Tages zwei der drei Brückenteile millimetergenau auf die Beton-Brückenköpfe setzen. Als sich die stählernden Tragetaue entspannten, jubelte einer der Beobachter leise. „Na, Brückenbaufan?“ Diese Frage beantwortete Thomas Seifert so: „Nein, ich bin Potsdam-Fan.“

Das dritte Lastschiff wartet derweil im Hafenbecken am Hotel Mercure. Um die von ihm geladene Stahlkonstruktion an die Baustelle heranzuführen, müsste es unter der Langen Brücke hindurchfahren. Doch das Schiff hat nicht genug Tiefgang; das Brückenteil ragt zu weit in die Höhe. Bei Plustemperaturen würde das Schiff einfach Flusswasser aufnehmen, um den Tiefgang zu erhöhen – eine Option, die wegen der Kälte wegfällt, denn das Ballastwasser würde gefrieren. Daher müssen zunächst Teile der Ladung demontiert werden. Problematisch könnte auch die Verlegung des Großkrans vom einen zum anderen Ufer werden, wenn es in der Nacht – wie von Meteorologen angekündigt – zu Blitzeis kommt. „Einen 90 Tonnen wiegenden Kran verlegen Sie nicht, wenn die Straße spiegelglatt ist“, erläuterte Ramona Löser-Fimmel, Planerin beim Sanierungsträger Potsdam.

Obwohl er, wie er sagte, in der Zeitplanung „auf den Klimawandel gesetzt habe, der ihm demzufolge gestern die kalte Schulter zeigte, soll die 10,5 Millionen Euro teure Brücke im Sommer 2009 fertiggestellt sein, informierte Jesse. Der Anschluss der Bahngleise auf die neue Straßenbahnbrücke müsse in der letzten Ferienwoche erfolgen, um den Schülerverkehr nicht zu stören.

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