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Ehemaliges Freibad am Luftschiffhafen: Das vergessene Strandbad

In Potsdam-West gab es einst ein Strandbad an der Havel. Dort konnte man wunderbar über die Seenlandschaft blicken – oder von einem Turm springen.

Potsdam - Es war ein lebendiger Ort mit viel Publikum. Gleichsam eine Badewanne für die Potsdamer. Doch wer heute hierher kommt, muss schon eine Menge Fantasie mitbringen, um sich den Trubel im ehemaligen Strandbad am Luftschiffhafen noch vorstellen zu können. Auf einem Foto, das um 1930 entstanden ist, sind Menschen am Havelufer zu sehen, die gebannt auf das sportliche Treiben am Zehn-Meter-Sprungturm blicken, der ein paar Meter vom Ufer entfernt direkt in der Havel steht. Einige Zuschauer sind auf Kneipenstühle gestiegen, um eine bessere Sicht zu haben. Es herrscht ein ziemliches Gedränge. Nicht nur das Ufer ist von Menschen gesäumt, auch auf dem Steg, über den man den hölzernen Sprungturm trockenen Fußes vom Strand aus erreichen kann, drängen sich die Leute.

Sie alle sind Zuschauer eines sportlichen Wettkampfs, der hier am Turm ausgetragen wird. Auf dem historischen Foto ist zu sehen, wie jemand gerade vom Turm aus ins Wasser springt. Es scheint ein besonders athletischer Sprung zu sein. Die Haltung des Springers wirkt elegant. Sein Körper ist wie ein Flitzebogen gespannt, der Rücken zum Sprungturm hin gewendet.

Wasservögel statt Strandbesucher

Heutzutage herrscht an diesem einstigen Ort havelwasserfrischen Treibens eine gewisse Beschaulichkeit. Die Wasserkante wird von Bäumen und teils recht dichtem Unterholz gesäumt. Im Wasser ziehen nicht mehr Strandbadbesucher ihre Bahnen. Stattdessen haben Wasservögel hier ihr Revier. Ein paar Meter von der Ufervegetation entfernt führt ein Weg parallel zum Wasser entlang. Daneben erstreckt sich ein langer Erdwall, ein Stück dahinter liegt das Stadion des Sportparks Luftschiffhafen. Die räumlichen Strukturen aus der Zeit des Strandbads sind auf dem Areal weitgehend verschwunden.

Die Badeanstalt war Teil des Land- und Wassersportplatzes, der in den 1920er-Jahren auf dem Gelände des einstigen Luftschiffhafens errichtet worden war. Das Strandbad bot vielen Potsdamern Platz. Allein der Sandstrand war rund 300 Meter lang. Am Zehn-Meter-Sprungturm gab es eine 100 Meter lange Schwimmerkampfbahn, wie auf einem zeitgenössischen Plan zu lesen ist. Auch ein Bereich für Nichtschwimmer war eingerichtet. Am Rande des Freibades befand sich eine zum großen Teil aus Holz errichtete Umkleidehalle, die Potsdams Stadtarchitekt Reinhold Mohr entworfen hatte. An drei Seiten der Umkleidehalle gab es einen Wandelgang.

Details zur Umkleidekabine

Die Architektin Christine Kral hat zur Geschichte des einstigen Freibads in Potsdams Westen geforscht und die Ergebnisse in dem 2011 von dem Potsdamer Architekturverein ArchitraV herausgegebenen Buch „Der Luftschiffhafen – ein Ort der Potsdamer Moderne“ veröffentlicht. Auch zur Umkleidehalle hat Kral verschiedene Details erforscht. Demnach wurde der Holzbau im Jahre 1927 errichtet. Er war zunächst 34 Meter lang und etwas über 16 Meter breit. Das Strandbad muss sich großer Beliebtheit erfreut haben. Jedenfalls wurde die Umkleidehalle bereits fünf Jahre nach ihrer Eröffnung erweitert. Die Pläne für den 16 Meter breiten und 27 Meter langen Erweiterungsbau stammten ebenfalls von Stadtarchitekt Mohr.

Der hölzerne Sprungturm, der in einem ähnlichen Stil wie die Umkleidehalle gehalten war, lag zwischen dem Schwimmer- und dem Nichtschwimmerbereich, wie Kral in ihren Forschungen beschreibt. Das Springen war freilich nur in den Schwimmerbereich hinein möglich. Ein Holzgeländer verhinderte Sprünge in den zu flachen Nichtschwimmerbereich. Zwei symmetrische Außentreppen führten auf das unterste Plateau des Turms, von wo aus man ins Wasser springen konnte. In fünf und in zehn Metern Höhe gab es weitere Absprungmöglichkeiten, zu denen man über die Treppen im Inneren des Turms gelangte. Am Fahnenmast auf der Spitze des gleichfalls von Mohr entworfenen Turms wehte bei Regatten und vielen anderen Veranstaltungen eine Flagge, wie Kral herausfand.

Eine Stätte der sportlichen Betätigung und des Freizeitvergnügens für die Potsdamer

Der Land- und Wassersportplatz, der auf dem Areal des früheren Luftschiffhafens in den 1920er-Jahren errichtet wurde und zu dem das Freibad gehörte, sollte für die Einwohner Potsdams eine Stätte der sportlichen Betätigung und des Freizeitvergnügens unter freiem Himmel werden – inklusive Stadion und Festwiese.

Hans Kölle, Friedhofs- und Stadtgartendirektor von Potsdam, lieferte die Pläne für die Gestaltung des Geländes. Kölle machte mit seinen Ideen „die Landschaft selbst zum Hauptakteur der Gestaltung“, wie Gabriele Kapp in ihrem Beitrag in dem vom ArchitraV herausgegebenen Band über den Luftschiffhafen schreibt. „Schon bei Eintritt sollte dem Gast wie dem aktiven Nutzer des Sportgeländes der Blick in die sanft dahingestreckte Seenlandschaft ermöglicht werden“, schreibt die gelernte Architektin Kapp. Die Baulichkeiten wurden dementsprechend zurückhaltend geplant und in die Landschaft eingepasst.

CDU will wieder ein Strandbad für Potsdam-West

Einen solchen Eindruck vom Gesamtbild haben heutige Besucher des Sportparks nicht mehr. Die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Gebäude und letztlich auch der Erdwall zwischen Stadion und Ufer lassen diese freien Blicke, wie sie in der Vorkriegszeit möglich waren, heute nicht mehr zu. Auf einem Plan von 1953 ist laut Kral noch ein Badestrand eingezeichnet. Doch die Umkleidehalle war zu dieser Zeit bereits zur Sporthalle geworden.

Ob es in absehbarer Zukunft zumindest wieder ein Strandbad im Potsdamer Westen geben wird, ist fraglich. Vorstöße der örtlichen CDU, dieses Thema auf die Agenda der Stadtpolitik zu bringen, sind bislang gescheitert. Insbesondere CDU-Mann Wieland Niekisch hat sich mehrfach für ein solches Bad stark gemacht. Selbst wenn Niekischs Wunsch doch noch einmal Wirklichkeit werden sollte – einen Zehn-Meter-Sprungturm, dazu in so imposanter Architektur wie einst, wird es wohl auch nicht mehr geben.

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