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Landeshauptstadt: Das grüne Ampelmännchen ist abgeschafft

Die Drewitzer sind unzufrieden mit der Gartenstadt in spe. Es gebe Verkehrsprobleme, die Kinder seien in Gefahr. Ein Spaziergang durch die Konrad-Wolf-Allee

Drei Schülerinnen gehen laut plaudernd in Richtung Tramhaltestelle. Ob sie Lust haben auf die neuen Spielplätze in der Konrad-Wolf-Allee, die derzeit auf der Mitteltrasse als Teil der neuen „Gartenstadt Drewitz“ entstehen? Die gemeinsame Antwort, wie aus der Pistole geschossen: „Nööö!“ Das ist verblüffend, denn so inakzeptabel sehen die gar nicht aus – da sind sogar Klettergerüste. Gern klären die Mädchen auf: Sie seien doch schon in der sechsten Klasse, von wegen Klettergerüste und so; was sie brauchen, „ist was zum Chillen!“ Natürlich. Und was meinen sie damit? „Na locker rumsitzen, lästern über jemanden “

Die Gartenstadt hat es schwer bei den Drewitzern, in langen Workshops wurde mit den Anwohnern um das von der Europäischen Union geförderte Stadtumbau-Projekt diskutiert. Heraus kamen Kompromisse, deren Tragfähigkeit in der lärmigen und staubigen Bauzeit unter besonderer Belastung steht. „Vorher war es besser“, sagt eine Frau an der Robert-Baberske-Straße Ecke Konrad-Wolf-Allee. Sie könne wegen des Baustaubes kaum die Fenster ihrer Wohnung öffnen.

Zwei neue Kreisverkehre sind im Zuge des Projekts entstanden, einer an jedem Ende der Allee. Auf dem Weg von dem einen zum anderen Kreisel ist auch eine Mutter mit ihrer etwa achtjährigen Tochter. Sie sieht ein Problem in der unmittelbaren Nachbarschaft von Tramtrasse und Spielplätzen: Die neuen Spielplätze sind ihrer Ansicht nach nicht gut genug abgetrennt von der Tramstrecke, der Zaun dazwischen sei viel zu niedrig: „Da guckt man mal kurz nicht hin und schwupp sind sie drüber.“ Das müsse mehr gesichert werden, schließlich „kann man nicht warten, bis erst ein Kind in den Brunnen gefallen ist“. Tatsächlich ist der Zaun mit etwa einem Meter nicht sehr hoch. Doch zwischen Zaun und Spielplatz kommt noch eine Hecke, eine bepflanzte Baumreihe und ein etwa 30 Zentimeter hohes Holzbohlenzäunchen. Das dürfte genügen für Kinder, die wissen, was sie tun dürfen und was nicht. Aber was ist mit den anderen?

Ein Spielplatz hat drei etwa einen Meter lange Röhren zu bieten, in denen sich je zwei Personen gegenübersetzen könnten. Das könnte der Ort zum Chillen sein, den sich die Schülerinnen wünschen. Auf der Höhe Guido-Seeber-Weg will eine ältere Frau die Allee überqueren. Von der Gartenstadt hält sie wenig. Ihr gefällt die Fassade eines ihm Rahmen des Projekts umgebauten Plattenbaus nicht. „Das passt gar nicht hierher“, sagt sie, „da bleibe ich lieber in unserem alten Haus.“ Als sie Bestätigung ihrer architekturkritischen Haltung erfährt, geht sie gern darauf ein: „Wie Sie schon sagen, es sieht aus wie ein Knast.“ In der Tat dürfte die Verwendung verzinkter Stahlbleche als Balkonbrüstung und somit als Fassadenmaterial in Potsdam einmalig sein. Eine Frau, die eilig aus einem der umgebauten Häuser kommt, möchte doch bitte schnell wenigstens sagen, wie sie ihr Zuhause jetzt findet: „Gut“, ruft sie im Vorbeieilen in Richtung Tramhaltestelle, „bis auf die Balkons.“

Wenig später: Eine Frau schaut skeptisch aus ihrem Fenster. Was hat sie zum Thema zu sagen? „Fragen sie meinen Mann“, ruft sie zurück und sagt die Adresse und den Namen. „Lange klingeln lassen, ja bei Skozinski können Sie wirklich machen “ Also gut. Günter Skozinski lässt nach kurzem Klingeln und kurzer Erklärung via Sprechanlage den Türöffner summen, als hätte er nur darauf gewartet. Der 77-jährige, hochgewachsene Mann ist, wie er sagt, „bei den Bauarbeitern schon verhasst“. Seine Haltung ist ablehnend und extrem kritisch. Seine Position zielt auf die Grundidee der Gartenstadt, die Verlegung des automobilen Verkehrs von der Mitte weg direkt an die Hauseingänge, um so in der Mitte Platz zu haben für Spielplätze und Grünflächen. „Die Kinder kommen aus dem Haus und rennen sofort auf die Straße“, bemängelt der Anwohner. Statt mehr Verkehrssicherheit sei das Gegenteil entstanden: mehr Gefahr. Der Grund seien die Linienbusse, die nun schon recht nah an den jeweiligen Häuserzeilen entlangfahren. „Die Busse fahren mir beinahe über den Balkon“, erklärt der Drewitzer und prophezeit Schlimmes: „Der Tag ist abzusehen, wann das erste Kind in den Bus läuft.“ Jedes Kind, das auf den Spielplatz wolle, müsse erst über die Straße. Die Sicherheit der Kinder sollte an oberster Stelle stehen, „das ist hier nicht gegeben“. Günter Skozinski legt Wert darauf, mit folgender Überlegung zitiert zu werden: „Liegt hier Unfähigkeit vor oder bewusste Sabotage?“ Skozinskis Kritik an der Verkehrssicherheit deckt sich mit den Einwänden der Bürgervertretung Drewitz. In einem offenen Brief an die Stadt weisen die gewählten Sprecher der Drewitzer die Einschätzung der Stadtverwaltung zurück, wonach „eine erhöhte Verkehrsgefährdung ... nicht gegeben“ sei.

Wieder zurück auf der Straße – nach einer etwa halbstündigen Diskussion mit Günter Skozinski über die Kriegsgefahr in der Ukraine. Es gibt große und es gibt kleine Probleme und es gibt die Erkenntnis, dass es nicht verkehrt ist, auch die Kleinen ernst zu nehmen. An der Hans-Albers-Straße Ecke Konrad-Wolf-Allee ist im vergangenen Jahr der zweite Verkehrskreisel entstanden. Er hatte schon deshalb kaum Fürsprecher vor Ort, weil dafür eine 25-jährige, kerngesunde Platane dran glauben musste. Kreisverkehre sind bei Verkehrsplanern in Mode, da sie Ampeln vermeiden und somit lästige, abgasintensive Ampelstopps. Kommt eine Tram, schaltet im konkreten Beispiel dennoch eine Ampel auf Rot, die Autos müssen halten, obwohl sie gerade im Kreisel stehen. Vor dem Havel-Nuthe-Center flanieren drei junge Frauen mit ihren Kinderwagen. „Guten Tag, ich recherchiere in Sachen Verkehrssicherheit in der neuen Gartenstadt “ Die drei lachen spontan im Chor ein herzlich-ehrliches „Hahaha “ Die eine: „Man weiß nie, aus welcher Richtung man hier gerade überfahren wird.“ Die andere: „Die Busfahrer achten nicht auf die Kinder.“ Die dritte: „Die Baustelle nervt nur “

Schlussszene: Zwei ältere Damen wollen die Tramtrasse überqueren. Die Ampel warnt gleich mit zwei roten Ampelmännchen. Sie warten also. Die Ampel erlischt. Die Damen warten auf Grün, doch es kommt nicht, kann auch nicht kommen, denn es ist eine Ampel, die nur Rot kann. Das grüne Ampelmännchen gibt es nicht. Grün ist nicht vorgesehen, warum auch immer, wahrscheinlich weil kein Rot für Verkehrsplaner so gut ist wie Grün. Irgendwann sehen die Damen das wohl auch so, sie gehen weiter.

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