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Aus dem GERICHTSSAAL: Crash auf der Brücke

Stadtverordneter Bretz stellte Unfallflüchtling

Reinhold K. (54) befuhr die Lange Brücke am Abend des 17. Mai 2005 stadtauswärts. Als er mit seinem VW Passat rechts in die Friedrich-List-Straße einbog, übersah der fünffache Vater einen geradeaus radelnden Kurier. Dieser prallte gegen das Auto, spürte – geschockt wie er war – im ersten Moment keine Schmerzen. Der Lenker des Velozipeds war verbogen, das Vorderrad zierte eine prächtige Acht. Der Mann am Steuer gab Gas, als wäre nichts geschehen. Der CDU-Stadtfraktionsvorsitzende Steeven Bretz war Augenzeuge des Geschehens. Kurzentschlossen bat er den Kurierfahrer, auf dem Beifahrersitz seines Audi Platz zu nehmen, verfolgte den Unfallverursacher, stoppte ihn schließlich auf der Nuthe-Schnellstraße.

Jetzt saß Reinhold K. wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort auf der Anklagebank des Amtsgerichts. „Ich habe von dem Crash überhaupt nichts mitbekommen. Hätte ich den Zusammenstoß bemerkt, hätte ich selbstverständlich angehalten“, beteuerte der Gartenbauer nervös zwinkernd. „Die Ampel zeigte grün für mich. Ich habe noch den Schulterblick gemacht. Einen Radfahrer habe ich nicht gesehen.“ Deshalb habe er sich sehr gewundert, als er nach ungefähr drei Kilometern von einem Pkw überholt und zum Anhalten aufgefordert wurde. Neue Schrammen oder Dellen an seinem alten Auto habe er nicht entdecken können, so der Angeklagte.

Von einem Schulterblick des Passatfahrers habe er nichts gesehen, berichtete der Kurierfahrer Dietmar B. (30) im Zeugenstand. „Obwohl ich bremste, stieß ich mit dem Reifen meines Fahrrads gegen Tür oder Kotflügel des abbiegenden Pkw. Gestürzt bin ich allerdings nicht. Zuerst hielt der Mann kurz an, dann entschloss er sich weiterzufahren.“ Der Angeklagte habe schon überrascht gewirkt, als er wenig später von Steeven Bretz auf den Unfall angesprochen wurde. „Haben Sie irgend welche Verletzungen erlitten?“, vergewisserte sich die Vorsitzende. Dietmar B. wiegelte ab. Zwar habe er nach dem Crash auf der Brücke drei bis vier Tage lang Schmerzen in der offensichtlich gestauchten Halswirbelsäule verspürt, zum Arzt gegangen sei er allerdings nicht. „Müssen wir Herrn Bretz noch als Zeugen hören?“, fragte die Richterin. Für den Staatsanwalt war die Sache auch so klar. Er regte an, das Verfahren gegen den bislang gesetzestreuen Reinhold K. einzustellen. Als kleinen Denkzettel solle er allerdings eine Geldbuße an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Der Angeklagte, der diesem Prozedere zustimmen muss, war erleichtert. Das Gericht entschied: Die Geldauflage beträgt 250 Euro. Erhalten solle sie der STIBB e. V., der sich um Missbrauchsopfer kümmert. Hoga

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