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Landeshauptstadt: „Chance auf Asyl nur als kolumbianischer Guillero“

Der Kolumbianer Hector Fabio Vergara-Marin (27) wurde in Kolumbien von Guerilla-Kämpfern bedroht und fand in Potsdam ein Stück vom Glück

Der Kolumbianer Hector Fabio Vergara-Marin (27) wurde in Kolumbien von Guerilla-Kämpfern bedroht und fand in Potsdam ein Stück vom Glück Heimat ist alles für mich. Dort leben meine Familie und meine Freunde. Wenn ich könnte, würde ich nach Cali, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, zurückkehren. Aber gegenwärtig gibt es dort für mich keine Zukunft. In Kolumbien waren Sie von Guerilla- Kämpfern bedroht. Nach der Schule wurde ich in einem Betrieb zum Sprengstofftechniker ausgebildet. Die Guerilla suchte Leute, die sich damit auskennen. Ich sagte „nein“. Da die Kämpfer den Kontakt zu mir gesucht und mir Details verraten hatten, beispielsweise wo sie einen Teil ihrer Verstecke haben und wer ihre Mitglieder sind, hatten sie Angst, dass ich sie ans Militär verraten könnte. Warum haben Sie sich vor vier Jahren Deutschland ausgesucht, um Schutz vor den Guerilla zu erhalten? Damals wusste ich gar nicht, wohin ich gehen soll. Wichtig war allein, aus Kolumbien zu fliehen. Mit meinem Cousin bin ich in ein Reisebüro gegangen und habe gesagt, dass wir weit weg reisen möchten. Ein weiteres Kriterium war, dass wir kein Visum benötigten. Im Reisebüro sagte man uns, dass sie zwei Flugtickets nach Deutschland hätten. Sie sind damals in Frankfurt am Main angekommen. Am Zoll wurden alle Passagiere gefragt, was sie hier wollen. Wir haben gesagt, dass wir Probleme in Kolumbien haben. Der Polizist fragte, ob wir politisches Asyl beantragen wollen. Wir bejahten. Wurde Ihrem Asylantrag statt gegeben? Ich selbst habe das Verfahren zurückgezogen. Sie haben geheiratet. Meine Frau Andrea arbeitet in der Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werkes. Wir haben uns verliebt und im August 2001 geheiratet. Für Sie hat sich die Situation zum Guten gewendet. Doch welche Chancen auf Asyl hätten Sie gehabt, wenn Ihnen nicht dieses Glück widerfahren wäre, eine Familie zu gründen? Keine, denn ich hatte Probleme mit der Guerilla und nicht mit dem Staat. Asyl erhält in Deutschland in der Regel nur derjenige, der vom Staat verfolgt wird. Um als Kolumbianer derzeit in Deutschland eine Chance auf Asyl zu erhalten, muss man Guerillero sein. Gibt es etwas, was Sie vermissen? Bei uns sind immer alle zusammen: Familie und Freunde. Hier ist alles sehr weitläufig, nicht so selbstverständlich. Fiel es Ihnen leicht, sich in Potsdam zu integrieren? Im Allgemeinen habe ich gute Erfahrungen gemacht. Die Menschen sind sehr offen. Nur vor knapp einem Jahr gab es ein für mich furchtbares Erlebnis. Ich habe für eine Reinigungsfirma gearbeitet. Anderthalb Jahre ging alles gut. Dann wechselte die Vorarbeiterin und der Marktleiter. Plötzlich wurde ich gemobbt und nach zwei Wochen rausgeschmissen. Man unterstellte mir, dass ich nicht ordentlich arbeiten würde. Das, was mir nie zuvor in Potsdam passiert ist, erlebte ich in vierzehn Tagen. Ich hatte über Rassismus gehört, doch hatte ich keine Vorstellung, was das bedeutet. Haben Sie sich gewehrt? Ich habe mir Hilfe gesucht. Der Vorgang ging bis zu Almut Berger, der Ausländerbeauftragten des Landes. Eine Entschuldigung habe ich nie erhalten, doch musste die Vorarbeiterin gehen. Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor? Ich hoffe, eines Tages eine vernünftige Arbeit zu finden. Derzeit arbeite ich als Hilfsarbeiter in einer Autowerkstatt. Auch träume ich, noch einmal woanders zu leben, vielleicht in Spanien. Was haben Sie hier für sich gefunden, gewonnen? Eine neue Familie. Wir haben einen kleinen Sohn, Jordan Andres. Ich habe andere Latinos und deutsche Freunde gefunden. Sonntags treffen wir uns mit Studenten zum Fußball. Das ist ein wichtiges Ereignis in der Woche. Das Gespräch führte Ulrike Strube

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