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Landeshauptstadt: Bunkerhäuser im Babelsberger Kiefernwald

Das Staatliche Filmarchiv der DDR residierte bis 1990 in Potsdam. Der Bau entstand noch auf Betreiben von NS-Minister Goebbels

Potsdams Oberbürgermeister wollte das Fleckchen zwischen Kohlhasenbrücker Straße und Autobahn damals als Naherholungsgebiet erhalten. Er hatte keine Chance. Nazi-Propagandaminister Goebbels persönlich setzte sich dafür ein, dass dort, mitten im Kiefernwald, Anfang der 1940er-Jahre mehrere Gebäude für das Reichsfilmarchiv errichtet wurden. Bis zur Auflösung des Nachfolgeinstituts, des Staatlichen Filmarchivs der DDR, im Jahr 1990 lagerten hier deutsche Filmschätze.

Über Entstehung und Bedeutung dieses Ortes referierte am Dienstagabend im Bürgerhaus am Schlaatz der Potsdamer Filmhistoriker Hans-Gunter Voigt – ein Vortrag in der Veranstaltungsreihe „Stadtgeschichte für jedermann“. Seit 2004 wird dazu in das Bürgerhaus eingeladen, der Abend über das Filmarchiv war die 80. Veranstaltung. Etwa 20 Gäste interessierten sich für das Thema. Referent Hans-Gunter Voigt, heute 69 Jahre alt und im Ruhestand, arbeitete seit 1966 im Staatlichen Filmarchiv der DDR, dann bis 2008 im Bundesarchiv in Berlin, das nach 1990 die Bestände übernahm.

In Berlin begann auch die Geschichte der Instituts-Vorläufers. 1935 wurde in Berlin-Dahlem das erste zentrale Archiv für Filme aller Art gegründet, unter Anwesenheit von Goebbels und Hitler persönlich. Bis dahin, so Voigt, waren die Filme nur in regionalen Archiven gesammelt worden. In Berlin wurde archiviert, was bereits ab 1916 für militärische Berichterstattung im Felde gedreht wurde, und vor allem Material für die Wochenschauen. Daneben Natur- und Spielfilme, Material des Berliner Polizeipräsidiums, politisches Filmmaterial und zunehmend auch beschlagnahmte Filme von verbotenen Parteien. Als der Platz knapp wurde, entschied man sich, nach Babelsberg auszuweichen, auf ein Gelände von etwa 40 Hektar. Wegen Kriegsbeginn wurde der Bau verschoben und erst 1941 fertig: Ein Verwaltungsgebäude und fünf oberirdische Bunkerhäuser, in denen das hochempfindliche Filmmaterial in kleinen Zellen gelagert wurde. Erst 1956 wurde auch in der DDR der gefährliche, weil hochentzündliche Nitrofilm durch Acetatfilm ersetzt, so Voigt.

Doch die Bunker boten nicht die gewünschte Sicherheit. Vor Kriegsende wurden sechs Waggonladungen in den Rüdersdorfer Kalksteinbergwerken eingelagert – und verbrannten, als die Russen das Lager entdeckten und unvorsichtig waren. „Ein großer Verlust“, sagte Voigt. Nach dem Krieg nahmen die Russen außerdem 3700 lange Filme und 2500 Kurzfilme mit nach Moskau. „Die haben das synchronisiert und in ihre Kinos gebracht“, sagte Voigt. Nur von wenigen Filmen bekam die DDR später Kopien zurück.

Dennoch blieb der Bestand des 1955 gegründeten Filmarchivs der DDR bis heute eine Fundgrube. Dort lagerten Kinder- und Dokfilme, Lehr- und Werbefilme, und natürlich Spielfilme, auch der einzige Science-Fiction-Streifen der DDR: „Der schweigende Stern“, der ziemlich genau vor 54 Jahren, am 26. Februar 1960, Premiere hatte. Und daneben reichlich Material der Nazizeit, auch manches, das nie öffentlich gezeigt worden war. So entdeckte man das sogenannte „Filmarchiv der Persönlichkeiten“: Etwa 75 Filme, gedreht 1942 bis 1944, mit wichtigen Personen des öffentlichen Lebens, darunter Gerhardt Hauptmann und Max Planck. Weitere Funde waren fünf Stunden Material über den Reichsparteitag und Aufnahmen von der Olympiade 1936, Farbaufnahmen der Panorama-Wochenschau von 1944/45, ein Novum zu der Zeit. Der Film „Robinson“ zeigte schließlich kein Inselabenteuer, sondern private Szenen mit Göring. „Das war sein Tarnname – dieser Film war ein ganz spannender Fund“, sagte Hans-Gunter Voigt.

Ein Film wurde sogar für eine Dokumentarsendung an das ZDF verliehen. „Der Film von 1942, der Prozess in Paris gegen eine Widerstandsgruppe, wurde zweimal ausgestrahlt und anschließend meldete sich jemand, der sich dort wiedererkannte“, sagte Voigt. Es war einer der zwei Überlebenden – 25 Widerständler waren damals hingerichtet worden.

Mit der Wiedervereinigung ging der Bestand an das Bundesarchiv über. Für einige Jahre nutzte man noch die Babelsberger Kopier- und Schneidetechnik. 1999 kaufte das Deutsche Rote Kreuz das Areal und errichtete eine Behindertenwerkstatt. „Immer zu Weihnachten beim Tag der offenen Tür ist das Gelände zugänglich“, sagte eine Besucherin. Von den fünf Bunkerhäusern wurden zwei – unter Denkmalschutz – stehen gelassen. Heute wird an der Rettung des Materials, das dort lagerte, gearbeitet. „Das wird ja immer zerbrechlicher“, sagte Voigt. Steffi Pyanoe

Am 25. März um 19 Uhr berichtet Ulrich Schmelz im Bürgerhaus am Schlaatz über 330 Jahre Integrationsgeschichte in Potsdam: „Vom Kolonistendorf Nattwerder bis Stadtteil Schlaatz“.

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