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Linken-Fraktionsvorsitzender Sebastian Walter und die Potsdamer Stadtverordnete Isabelle Vandre stellen ihren Gesetzesentwurf vor der Josephinen-Anlage vor.

© Andreas Klaer

Nach Potsdamer Fall Josephinenanlage: Linke will auch für Wohnraum enteignen

Seniorenbeirat, Mieterverein und Verbraucherschutz aus Potsdam unterstützen den Vorschlag. Die CDU im Landtag ist strikt dagegen, die SPD skeptisch.

Vor der Josephinen-Anlage in Potsdam ist ein großer Hai aufgeblasen worden. Auf dem Bauch des Gummi-Raubfisches steht geschrieben: „Miethaie zu Fischstäbchen“. Die Linke hätte sich kaum einen besseren Ort aussuchen können, um ihr aktuelles Gesetzesvorhaben vorzustellen: Die Josephinenanlage in der Burgstraße in der Innenstadt bot einst Wohnraum für Senioren, doch nach einer Massenkündigung im vergangenen Jahr werden heute stattdessen Airbnb-Appartements dort vermietet. Mit einem Gesetzentwurf will Die Linke derartiges Agieren künftig unmöglich machen: Geht es nach den Vorstellungen der Oppositionspartei, sollten Kommunen in solchen Fällen die Möglichkeit haben, zu enteignen.

„Wir müssen aus der Causa Josephinenanlage lernen“, sagt Isabelle Vandre, Stadtverordnete der Linken in Potsdam und wohnungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion ihrer Partei. Bis heute hätten die Kommunen keine adäquaten rechtlichen Möglichkeiten, um Fälle wie den in der Josephinenanlage zu verhindern, sagt sie. „Enteignungen sind bereits legal in Brandenburg, zum Beispiel wenn es um Infrastruktur geht“, sagt sie. „Wir wollen das um die soziale Infrastruktur erweitern.“

Enteignung auch für Wohnraum, Wohlfahrt und Kultur

Im Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg (EntGBbg) heißt es: „Die Enteignung ist im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.“ Das Gesetz sieht fünf Enteignungszwecke vor, darunter den Schutz von Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, die öffentliche Wärmeversorgung und die Entsorgung von Abfällen, den Bau von Rohrleitungen für bestimmte Stoffe und den Schutz der Wälder.

Isabelle Vandre, wohnungs- und mietenpolitische Sprecherin der Linksfraktion und Stadtverordnete in Potsdam.

© Foto: Andreas Klaer/PNN

Der Gesetzentwurf der Linken will drei neue Enteignungszwecke einführen: die Schaffung oder Änderung von Einrichtungen der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege sowie von Einrichtungen der Bildung, Wissenschaft, Forschung, Kultur oder des Sports und die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum.

Unterstützung von Mieterverein, Seniorenbeirat und Verbraucherschutz

„Zur Errichtung einer Mülldeponie kann in Brandenburg ein Landwirt enteignet werden. Aber zur Schaffung, zum Erhalt von dringend benötigtem Wohnraum oder sozialen Einrichtungen hat man hierzulande gegen Eigentümer bislang kaum eine Handhabe. Das ist absurd“, findet Christian Rumpke, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg. Er unterstützt das Gesetzesvorhaben. Ebenso der Mieterverein Potsdam und Umgebung. Der Vorsitzende Holger Catenhusen teilt mit: „Es wäre zu begrüßen, wenn (...) künftig im Fall akuten Bedarfs auch Enteignungen zum Zwecke der sozialen Daseinsvorsorge und des Wohnens möglich sind.“ Auch der Vorsitzende des Seniorenbeirats Potsdam Peter Mundt unterstützt den Gesetzentwurf, sagte er.

Keiner braucht jetzt Kommunismus zu fürchten. Wir wollen nur dieselben Möglichkeiten wie Herr Söder in Bayern.

Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Linken im Landtag Brandenburg

Der Vorstoß der Linken orientiert sich an der Gesetzgebung in Thüringen und Bayern. Bezogen darauf sagte Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Linken: „Die Menschen brauchen keine Angst zu haben vor Kommunismus oder flächendeckender Enteignung. Wir wollen nur dieselben Möglichkeiten haben wie Herr Söder in Bayern.“ Die im traditionell konservativ regierten Bayern gültigen Enteignungszwecke ähneln den Vorschlägen der Linken. Ein Passus, auch für Wohnraum enteignen zu dürfen, fehlt hier allerdings. Die Enteignungszwecke in Thüringen sind nahezu deckungsgleich mit den Forderungen der Linkspartei - doch auch hier fehlt das Schaffen von Wohnraum als Enteignungsgrund.

Unterstützung im Landtag unsicher

Nächste Woche soll der Gesetzentwurf im Landtag eingebracht werden. Ob er Zustimmung findet, ist mindestens unsicher. Jan Redmann, Fraktionsvorsitzender der CDU im Brandenburger Landtag, teilt auf PNN-Anfrage mit: „Was die Linken fordern, ist nichts anderes als eine DDR 2.0. Die Geschichte unseres Landes mahnt und erinnert uns daran, dass zwei Diktaturen auf deutschem Boden das Eigentumsrecht willkürlich und aus ideologischen Gründen für ihre Staatszwecke missbraucht haben.“

Alle demokratischen Institutionen seien dazu verpflichtet, den Schutz des Eigentums zu achten und zu bewahren. „Wer das aufkündigt, begibt sich auf direktem Weg in einen neuen gesellschaftspolitischen Fehlschlag“, so Redmann weiter.

Andreas Noack, Sprecher für Kommunalfinanzen der SPD im Landtag, ist skeptisch, was den Gesetzentwurf angeht: „Jeder Eingriff in das Eigentumsrecht ist ein schwerwiegender Eingriff“, sagt er. „Mir ist kein flächendeckendes Problem in Brandenburg bekannt, das eine Ausweitung des bestehenden Enteignungsgesetzes notwendig machen würde.“ Er sei allerdings gespannt auf den parlamentarischen Austausch in der kommenden Woche.

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