zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Bombenalarm beim Frühstück

Viele Anwohner waren Dienstagfrüh von der Evakuierung auf dem Brauhausberg überrascht worden

Hermannswerder - Helmuth Weißleder hat am Dienstagmorgen lange am Fenster gestanden und auf die fast menschenleere Straße gesehen. Um 6.30 Uhr sollte der Medizinische Dienst ihn und seine Frau abholen und aus dem Sperrkreis bringen – doch der kam erst gegen 9 Uhr. Der 78-Jährige wohnt mit seiner Frau auf dem Brauhausberg – ganz in der Nähe des Waldstücks, in dem am Montag bei einer systematischen Suche eine britische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden war.

In Sicherheit bringen mussten sich deshalb die Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes, der in der Nähe des Fundortes ansässig ist. Daneben evakuierten rund 100 Mitarbeiter der Stadtverwaltung ab 8 Uhr früh etwa 600 Anwohner – einige mussten sie dabei aus dem Bett klingeln. Weil die Infozettel am Montag erst relativ spät an die Haustüren geheftet worden waren, hatte manche Bewohner sie nicht mehr gesehen. Das habe daran gelegen, dass auch die Stadtverwaltung sehr spät von dem Fund erfahren habe, sagte Rathausmitarbeiterin Marion Knörck. Die Zahl der entschärften Bomben in Potsdam kann sie kaum noch zählen – laut Rathaussprecher Jan Brunzlow waren es seit der Wende 136. Trotz ihrer Erfahrung mit Evakuierungen sei es das erste Mal, dass noch Menschen in den Wohnungen waren, so Knörck.

Für Michael Breska war das überraschende Klingeln ein fast willkommener Grund, zur Universität zu fahren. Der Geschichtsstudent arbeitet derzeit an seiner Abschlussarbeit zum Thema Stasi und Militär. „Ohne die Evakuierung wäre ich heute wohl zu Hause geblieben“, so der 33-Jährige.

Der 16-jährige Jan Seelig hatte hingegen eine gute Ausrede, um den Unterricht ausfallen zu lassen – ihn ließen die Polizisten an der Straßensperre am Brauhausberg nicht mehr durch. Für die Abiturienten des evangelischen Hoffbauer-Gymnasiums waren eigens Shuttlebusse eingesetzt worden, damit sie trotz Sperrkreis ihre Prüfungen nicht verpassten. Abgesehen davon war Hermannswerder nur über die Fähre zu erreichen.

Um 9.47 Uhr war das gesamte Gebiet evakuiert: Grünes Licht für Sprengmeister Mike Schwitzke vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Transportfähig war die 250 Kilogramm schwere Bombe nicht, Schwitzke entfernte den Zünder deshalb und sprengte ihn in etwa 30 Meter Abstand zum Bombenfundort – natürlich erst, nachdem das Areal nach möglichen weiteren Bomben abgesucht worden war. „Wir gehen immer von 15 Prozent Blindgängern, also etwa zwei pro Flugzeug, aus“, so Schwitzke. Die historischen Luftbilder, die den Hinweis auf den Blindgänger gegeben hatten, ließen jedoch nicht auf weitere Bomben in dem Waldstück schließen.

Eine Besonderheit: Die britische Bombe, Baujahr 1945, hatte in nur 30 Zentimeter Tiefe gelegen. „Möglich, dass sie sich in einem Baumwipfel verfangen hat und ihr Aufprall dadurch gedämpft wurde“, sagt Schwitzke. Das würde auch erklären, warum sie nicht zündete. Eine akute Gefahr sei nicht von ihr ausgegangen. Wer letztlich entschieden hatte, den Einsatz am Dienstag durchzuführen, anstatt die Evakuierung länger vorzubereiten, blieb allerdings unklar. „Den Termin für die Entschärfung gibt der Sprengmeister vor“, hieß es bei der Verwaltung. Laut Schwitzke war der Termin aber in Absprache mit dem Rathaus festgelegt worden. Um 10.41 Uhr konnte der Sperrkreis mit einem Radius von 700 Metern schon wieder betreten werden, auch die Sperrung der B2 wurde aufgehoben. alm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false