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POSITION: Bau der Garnisonkirche ist Bau alter Symbolik

Bitte nicht das Mantra vom Handschlag Hindenburg-Hitler Von Wolfram Hülsemann

M antraartig wird in Sachen Potsdamer Garnisonkirche wiederholt, dass das Ablehnen des Neubauvorhabens seinen Grund einzig im sogenannten Handschlag zwischen Hindenburg und Hitler hätte. Diesen Einwand, aus den Zusammenhängen gelöst, kann man zur Seite legen. Der besagte propagandistische Akt sollte bekanntlich ein Zeichen gerechtfertigter Machtsicherung übermitteln. Die Garnisonkirche mit ihren Akteuren bot dafür die Kulisse. Seit der Fertigstellung stand sie durch programmatische Grundausrichtung wie kaum ein anderes Monument als Symbol für handfeste Interessen und Grundwünsche der Herrschenden.

Damalige Interessen und Wünsche, die den heutigen Befürwortern des Baus keineswegs unterstellt werden dürfen! In der einstigen Garnisonkirche sollten insbesondere Soldaten und der königlich-kaiserliche Hofstaat mittels religiöser Überhöhung zu widerspruchslosem Gehorsam und zu unbedingter Pflichterfüllung in einem absolutistischen System geführt werden. Mantraartig ist darum zu wiederholen: Die Garnisonkirche stand über Jahrhunderte in besonderer Weise für Kommunikation und Indoktrination einer absolutistischen Obrigkeitsideologie. Wer diese zerstörte Kirche wieder aufbaut, baut an dieser alten Symbolik. Der Akt des Bauens selbst wird zum Problem. Nachweislich haben viele Prediger, auch und ganz besonders in der Garnisonkirche, evangelische Grundüberzeugungen mit Füßen getreten. Diese Kirche ist also nicht von irgendwelchen Mächten missbraucht worden. Ihre Verantwortungsträger haben – nachweislich nicht erst seit 1918 – ihre Hoffnungen nicht auf die biblischen Wünsche, sondern auf „weltliche Macht und Gewalt“ zur Wahrung eigener Interessen gesetzt. Die Kirche hat in diesem Sinne selbst Missbrauch getrieben. Ein Mantra, das solange wiederholt werden soll, bis das Bauprogramm für diesen Ort davon auch in der Außendarstellung etwas erkennen lässt.

Es bleibt weiterhin größte Achtsamkeit geboten, wenn es um das Verhältnis StaatKirche geht. Die Kirche, eben alle ihre Mitglieder, brauchen um der Freiheit des Menschen willen die eindeutige und grundgesetzlich garantierte Trennung vom Staat. Im Blick auf staatliches Handeln muss gegebenenfalls an jedem Ort und in jeder Situation beispielsweise gesagt werden können: „ da ist nichts Gutes dran.“ Die Geschichte der Garnisonkirche stand dieser Grundhaltung entgegen. Als Mantra soll also stehen: Wer diese Kirche neu baut, begibt sich wieder in die Gefahr unangemessener Bindungen. Vorbereitungen und Betreiben der Neubauoptionen deuten das zumindest zeichenhaft bereits an.

Bebaute Steine sind an sich unschuldig. Wer sie formt, wer sie gestaltet, setzt klare Botschaften frei. Der Wiederaufbau des Turms, der Kirche, das Aufrichten der königlichen Wetterfahne ohne Kennzeichnung der Brüche in ihrer Geschichte würde eine Sprache sprechen, würde Vorstellungswelten öffnen, die von dem sorgsamen und engagierten Bemühen um Frieden und Versöhnung in den Innenräumen unbeeindruckt blieben. Die Außenbilder würden wie Comicabbildungen vom Betrachtenden verinnerlicht. Die Eindeutigkeit christlicher Identität würde sich wieder einmal verflüchtigen.

Den Grund für die kürzlich abgesagte Auktion unter dem Motto „Jedem das Seine“ sollte als Wetterleuchten einer bisher unterschätzten Gefahr gewertet werden. Die alten Symboliken der zerstörten Garnisonkirche dürfen nicht ungebrochen rekonstruiert werden. Darum als Mantra: Der Akt der Symbol-Rekonstruktion setzt verwirrende Signale für Wertebildung und demokratische Wertesicherung der Gesellschaft frei. Wenn aber die Potsdamer Bürgerschaft aus städtebaulichen Erwägungen etwas bauen wollten, muss dort weiter diskutiert werden. Denn ganz unter uns: Christen brauchen wirklich keine Garnisonkirche. Oder?

Der Autor ist Sprecher der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“

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