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Landeshauptstadt: Ausgefüllte Zeit für Patienten Zum Tod des Arztes Dr. Gottfried Kautzsch

Lange Zeit hielt er die Hand des Besuchers. Nicht verkrampft, sondern dankbar, warmherzig.

Lange Zeit hielt er die Hand des Besuchers. Nicht verkrampft, sondern dankbar, warmherzig. Dann versuchte er – das Sprechen fiel ihm schwer – sogar noch freundliche und aufmunternde Worte seinem Gegenüber auf den Weg mitzugeben. Mehr als fünf quälende Monate befand sich der Arzt Gottfried Kautzsch im Hospiz des Luise-Henrietten-Stifts Lehnin, ehe der Tod ihn am 23. Januar mit 71 Jahren von seinem schweren Leiden erlöste.

Dass das Ende seines Lebens nahe war, ahnte er schon bald nach seiner Operation. Er bereitete sich auf seine ganz eigene Weise darauf vor. Immer wieder hörte er Pergolesis Vertonung des „Stabat mater“ und Bachs „Matthäus-Passion“ mit der Arie „Erbarme dich, o Herr“, die ihn besonders bewegte.

Der promovierte Internist Gottfried Kautzsch war als Arzt eine Institution, nicht nur im St. Josefs-Krankenhaus, sondern in der Landeshauptstadt. Nach dem Medizinstudium in Leipzig und Erfurt ging er 1965 an das katholische Krankenhaus nach Potsdam. 38 Jahre lang blieb er der Einrichtung treu und durchschritt alle Stufen, die ein Arzt geht. Speziell wandte er sich aber der Gastroenterologie zu und wurde schließlich 1986 Chefarzt der Klinik für Inneren Medizin. Mit wachem Auge und Verantwortungsgefühl bewegte er sich im Spannungsfeld zwischen der Inneren Medizin als Gesamtheit und der Notwendigkeit und den Vorzügen einer Spezialisierung. Beides war ihm angesichts der Gefahr einer Verengung des klinischen Blickes durch eine zunehmende Spezialisierung unverzichtbar. Die neuesten Entwicklungen der Medizin wurden im St. Josefs-Krankenhaus bereits zu DDR-Zeiten etabliert. Mit seiner Frau Hanna, eine Krankenschwester, baute er die Endoskopie auf. Zeiten, in denen er sich bürokratischen Dingen widmen musste, waren ihm ein Gräuel.

Als Chefarzt wollte er nur den kranken Menschen nahe sein und so waren die meisten Tage, die eigentlich nicht enden wollten, für sie bis zum Rand ausgefüllt. Dr. Gottfried Kautzsch, der jedoch immer positiv gestimmt war, hat sich den Patienten mit unaufdringlicher Empathie zugewandt. Ein wenig Erholung bescherten ihm die täglichen Fahrten mit dem Fahrrad ins Krankenhaus bei jedem Wind und Wetter, das Singen in der Kantorei der Friedenskirche oder die Konzertbesuche. Denn mit der Musik ist der aus einem Eisenacher Pfarrhaus Gebürtige von Kindheit an aufgewachsen.

2003 verabschiedete sich Gottfried Kautzsch aus dem St. Josefs-Krankenhaus und ging in den Ruhestand. Aber aus ihm wurde vielmehr der berühmte Unruhestand. Denn der Arzt hat auch weiterhin Verantwortung wahrgenommen, beispielsweise in seiner Kirchengemeinde, der Friedenskirche. Verantwortung für seine Mitmenschen.

Klaus Büstrin

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