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Von Peter Könnicke: Ausbruch ins Nomadenland

Um Stress und Alltag zu entkommen, lädt Matthias Michel unter das Dach kirgisischer Jurten ein

Es können verschiedene Einflüsse sein, die einen vom bisherigen Weg abrücken und eine neue Richtung einschlagen lassen: Erfolg oder Misserfolg, eine neue Bekanntschaft, eine neue Erfahrung, Verdruss vom Alltäglichen. Bei Matthias Michel kam ziemlich viel davon zusammen – bis er eines Tages 7000 Meter über den Dingen stand. Fast auf dem Gipfel des „Pik Lenin“ in Kirgisien fühlte er sich in Eis und Schnee und dünner Luft geerdet, oder wie es Neudeutsch heißt: entschleunigt. Michel lernte die Elemente der Natur und das einfache Dasein der Nomaden kennen.

„Eine wunderbare Erfahrung“, schwärmt der 39-Jährige noch heute von seinem Erlebnis vor einem Jahr. Von da an gab es kein Zurück mehr. Zwar kam Matthias Michel nach dem vierwöchigen Abenteuer wieder nach Hause, aber der Potsdamer begann zu ändern, was ihn schon lange nicht mehr glücklich machte. Er gab seinen Job als ständig reisender Systemelektroniker auf und entfloh der Hektik und dem Stress des Alltags ins eigene „Nomadenland“.

Unter dieser Ortsangabe findet man seine Internetseite, auf der er einen ersten Einblick in eine etwas andere Welt bietet. Jenseits des virtuellen Vorgeschmacks stehen in Michels märkischen „Nomadenland“ zwei original kirgisische Jurten. Über einen kirgisischen Spätaussiedler hat er sie direkt aus der mittelasiatischen Republik geliefert bekommen. Eines der Zelte steht auf dem Gelände des Gasthofs „Zur Linde“ im mittelmärkischen Wildenbruch, ein Zweites im Potsdamer Volkspark.

„Dschaabars“ und „Issikul“ hat Michel die Behausungen getauft. Ersteres bedeutet so viel wie „Schneller Pfeil“. Das zweite Zelt hat Michel nach einem kirgisischen Gebirgssee benannt - dem zweit höchst gelegenen See der Welt.

„Außergewöhnlich“ findet Anna Artece das Ambiente unterm schneebedeckten Zeltdach und am Ofenfeuer. Sie lauscht Selma Lagerlöfs „Heiliger Nacht“, einem Weihnachtsmärchen, das der Schauspieler und Sprecher Edward Scholzke gestenreich und einfühlsam erzählt. Märchenabende für Erwachsene und Bastelnachmittage für Kinder prägten in den Weihnachtstagen das märkische Nomadendasein in Michels Zelten. Der 39-Jährige möchte, dass seine Besucher für ein paar Stunden Abstand finden vom Alltag.

„Es gibt keine bessere Adresse als eine Jurte, um in die Welt der Märchen zu fliehen“, meint Michel. Und der Aufbau des Nomaden-Domizils sei eine wunderbare Gemeinschaftsarbeit, sagt der 39-Jährige. Gemeinsam etwas zu errichten, fördere den Zusammenhalt und mache Spaß, ist er überzeugt. Etwa fünf Stunden braucht es, bis eine Jurte steht, in der 20 bis 25 Personen Platz haben. „Sie ist eines der sichersten Gebäude der Welt“, behauptet Michel, und das völlig ohne Nägel und Schrauben. Die Zeltplanen sind an einem Gestänge aus gebogenem Weidenholz befestigt, das mit Hanfseilen verknotet ist. Für die Statik sorgt ein etwa ein Meter langer Holzstamm, der vom Zeltdach an zwei Seilen nach unten fällt. „Meine Idee ist ein ganzes Nomadendorf“, sinniert Michel. Vorstellen kann er sich das im Naturpark Glauer Tal in der Nuthe-Nieplitz-Niederung südlich von Potsdam und Berlin. Im Potsdamer Volkspark, der für Freizeit und aktive Erholung längst kein geheimer Ort mehr ist, kann sich Michel seine Jurte auch als Basislager für Yoga-Kurse vorstellen. Auch Übungen am nahe gelegenen Kletterfelsen oder Slackline-Kurse – Balanceübungen auf einem Seil – sind denkbar.

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