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Paddeln im Stehen - ein Trend auf den Gewässern der Region.

© A. Klaer

Stand-up-Paddling in Potsdam: Aufs Brett gekommen

Pünktlich zur Sommersaison eröffnete der Potsdamer Martin Teichmann eine Stand-up-Paddling- Schule am Yachthafen. Ist das ein Trendsport für jeden? Ein Selbstversuch.

Potsdam - Im Wasser vor mir schwimmt ein leeres Brett. „Knie dich drauf und richte dich dann langsam breitbeinig auf. Schau nach vorne“, sagt Martin Teichmann ruhig, reicht ein Paddel und rudert schon mal vor. Moment, wie noch mal? Aufrichten, stehen, Paddel eintauchen? Zeit für Angst bleibt jedenfalls nicht. Ein wenig Gleichgewichtssinn gehört schon dazu, wenn man auf so einem Spezialbrett steht. Aber es klappt, nach einigen Minuten zittern die Beine schon weniger und wir paddeln tatsächlich stehend über die Havel.

Mehr als nur Sport

Wer Martin Teichmann auf seinem Brett stehen sieht, ganz enspannt, mit sommerlichem Teint und Sportklamotten im Surferstil vermutet gar nicht, wie stressig die letzten Wochen waren. Der 33-Jährige hat im Yachthafen Potsdam kürzlich seine Stand-up-Paddling Schule SUP-Trip eröffnet. Stand-up-Paddling (SUP) ist eine Trendsportart aus Hawaii, die vor einigen Jahren auch in Europa bekannt wurde. Entwickelt wurde sie von Profisurfern, die auch bei schwachem Wind nicht auf einen Trip mit dem Brett verzichten wollten. Teichmann bietet gemeinsam mit einem vierköpfigen Trainerstab Touren und Kurse an, etwa Yoga auf dem Wasser. Er ist damit einer von sieben SUP-Anbietern in Potsdam. Was ihn unterscheidet? Ihm gehe es um mehr als nur den Sport: „Ressourcenorientierte Wahrnehmung“ nennt er es etwa, wenn er, wie jetzt, auf dem Brett steht und mit dem Ruder eine leere Chipstüte aus der Havel fischt. Auf seinen Touren macht er auf Tiere und Pflanzen aufmerksam und gibt auf Wunsch auch über den Kurs hinaus in Personal Coachings Tipps fürs Leben.

„Aus der Leidenschaft heraus wäre ich Tischler geworden,“ gesteht Teichmann. Sein selbst gebauter schwimmender Verleih aus Holz deutet darauf hin. Mit seinem Vater habe er schon einmal ein Haus gebaut – bis auf die Elektrik, „die bekomme ich mit meiner Farbschwäche nicht hin“, schmunzelt er. Bei der knallgelben Bank, auf der er sitzt, tippt er auf grün.

Aufgewachsen ist er in der Berliner Vorstadt, als Grenzkind. Überschritten hat er sie mit 16: Er rebellierte und flog beim Vater raus. Ab 2003 war er Dauerstudent, das Wirtschaftsstudium an der TU Berlin schloss er aber sehr gut ab. „Ich habe viel gelebt und war ständig im Urlaub. Für das habe ich erstaunlich gut abgeschnitten: unter zwei.“

Nur noch eine Sache

Beruflich lief es weniger gut: Während des Studiums musste er 2012 als Geschäftsführer eine GmbH liquidieren, auch eine weitere Firma scheiterte – am Geschäftspartner, sagt Teichmann. Eine dritte Firma, für die er Cajóns, eine südamerikanische Kistentrommel, fertigen wollte, scheiterte auch. Er habe auf zu viele Pferde gesetzt, jetzt wolle er sich mehr auf eine Sache konzentrieren. Nämlich aufs Brett.

Darauf gekommen ist er durch einen Freund. Im Winter 2012 schipperte er mit dessen Brett erstmals über die eiskalte Havel, weit über 1000 Euro für ein gutes Brett investieren wollte er aber vorerst nicht. Erst 2014 schaffte er sich einen Erstbestand an und startete sein SUP-Business mobil aus seinem Bus heraus. Die Bretter sind luftgefüllt und daher gut transportierbar. Kunden fand er durch Mundpropaganda und holte fast die gesamte Investition durch seine Tourangebote wieder rein. Parallel machte er Ausbildungen zum Fitnesstrainer, Ernährungsberater und Coach.

Lange habe er in Potsdam nach einem Partner und einer Location für seine Schule gesucht, die Seerose war als Standort im Gespräch und Tiki Potsdam als Partner. Gegründet hat er schließlich doch allein. Kredite, Zuschüsse, Förderungen bekam er für sein Vorhaben nicht. Umsetzen konnte er es nur mithilfe von Privatkrediten. Das sei eine gute Motivation, nicht wieder zu scheitern, sagt Teichmann trocken. 50 Prozent seiner Kunden sind Stammgäste vom letzten Jahr, zum Reichwerden reicht das aber nicht. Fürs Geld arbeitet er seit Längerem freiberuflich im Online-Marketingsegment einer Firma. Fürs Herz betreibt er SUP-Trip. Das spürt man.

Potsdamer sehnen sich nach besonderem Flair

Ganz billig ist so eine Tour bei ihm trotzdem nicht, gut 40 Euro zahlt man für zweieinhalb Stunden. Mit dem neuen Standort im Yachthafen soll die Regelmäßigkeit kommen, mit Mitgliedschaften und einem wiederkehrendem Programm. Neue Ideen, damit das Geschäft nachhaltig läuft, hat Martin viele, etwa ein SUP-Kursangebot mit Herrchen und Hund gemeinsam auf einem Brett, eine Strandbar, ein wiederkehrendes Grillformat mit Livemusik. Die Potsdamer sehnten sich wieder nach dem besonderen Flair, meint er. Der Standort hat Potenzial. Eine SUP-Kleidungskollektion hat er auch, auf seiner Webseite soll ein Onlineshop entstehen. Im Winter wolle er gleich ein Franchise eröffnen – und wenn einmal keiner aufs Brett will, gibt er Fitnesstrainings in der Halle. Vieles schafft er über Kontakte, Partnerschaften und Empfehlungen von Bekannten – für jede Lücke kennt er den passenden Namen.

Ist SUP nun wirklich etwas für jeden? „SUP ist wie Wandern auf dem Wasser“, sagt Teichmann, das könne jeder. Außerdem sei seine älteste Kundin 74 Jahre alt gewesen. Ich komme auch mit gestärktem Selbstbewusstsein vom Wasser und bin zufrieden darüber, dass aus dem Experiment kein eiskalter „Reinfall“ wurde – ich kam trocken ans Ufer. Genau dieses positive Gefühl sei es auch, was er vermitteln wolle. Fazit: Wer einen Versuch wagt, wird belohnt. Und wer doch hineinfallen sollte, kann sich trösten. Es gibt sicher Schlimmeres als einen kurzen sommerlichen Tauchgang ins kühle Nass.

Nicht nur am Yachthafen kann gepaddelt werden: 

SUP-Trip

Kastanienallee 22c

Tel.: 0157 / 323 87 346

Tiki SUP

Wall am Kiez 1

Tel.: (0331) 96 58 00 83

Windsurfing Potsdam

An der Pirschheide 41

Tel.: (0331) 2704280

Potsdam per Pedales

Rudolf-Breitscheid-Straße 201; Tel.: (0331) 7480057

See und Meer

Willy-A.-Kleinau-Weg 6 

Tel.: 0172 / 88 62 558

Potsdam Convention

Office

Am Neuen Markt 1

Tel.: (0331) 27558 54 561

Marina am Tiefen See

Schiffbauergasse 8

Tel.: (0331) 817 0 617

Rita Orschiedt

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