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Interview mit Sebastian Brendel: „Auf die Zähne beißen, im Kopf locker bleiben“

Deutschlands bester Paddler Sebastian Brendel über Erfolg, Kopfkino und die Kleiderordnung beim Kanurennsport

Herr Brendel, wenn Sie ein zweites sportliches Leben beginnen könnten, was würden Sie werden: Fußballer oder Kanute?

Ich denke, ich würde mich wieder für Kanurennsport entscheiden. Es ist eine tolle Sportart, man ist viel in der Natur, lernt tolle Leute kennen. Und hier in Potsdam habe ich ein super Umfeld.

Obwohl Sie als Olympiasieger und einer der besten Kanuten der Welt weniger im Rampenlicht stehen und weniger Geld verdienen als ein zweitklassiger Fußballer.

Es ist schon verrückt, dass in Deutschland fast jede Sportart außer Fußball eine Randsportart ist. Aber ich mache meinen Sport, weil er mir Spaß macht. Sonst hätte ich auch nicht die Erfolge. Also, ich bleibe bei Kanu.

Erklären Sie doch mal einem eingefleischten Fußballfan, was am Kanusport so attraktiv ist.

Es ist der Kampf Mann gegen Mann. Die Boote starten alle an einer Linie und am Ende ist Sieger, wer am schnellsten durchs Wasser pflügt. Man hat es jetzt bei den Weltmeisterschaften gesehen, wenn im Fernsehen die Bootsspitzen eingeblendet werden, die sich aneinander vorbeischieben – manchmal nur zentimeterweise. Wenn es gelingt, diese sportliche Dramatik in Bilder zu vermitteln oder es auch live an der Strecke erlebbar zu machen, wird die Attraktivität eines Kanurennens deutlich.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie besonders gut paddeln können?

Das haben zuerst meine Trainer gemerkt. Ich habe ja in Schwedt mit acht Jahren angefangen. Nach zwei, drei Jahren hat mich mein Trainer gefragt, ob ich nicht in Potsdam an der Sportschule anfangen möchte. Ich wusste zunächst nicht, ob ich das wirklich wollte – weg von den Eltern. Aber ich habe es getan, mit der Unterstützung meiner Eltern. Und dann ging es so langsam los: Ich wurde Junioren-Weltmeister und Junioren-Europameister. Und dann wollte ich mehr erreichen und immer mehr gewinnen.

Macht Erfolg hungrig oder eher satt?

Mich macht er hungrig. Ich habe letztes Jahr das Größte erreicht, was man im Kanusport erreichen kann: im Einer Gold bei den Olympischen Spielen zu gewinnen. Würde Erfolg satt machen, hätte ich aufgehört. Aber ich will weiter erfolgreich sein und weitere Medaillen holen.

Was wäre denn die Steigerung von dem „Größten“?

Vergangenes Wochenende war es mein Ziel, das erste Mal Weltmeister zu werden. Das hab ich geschafft. Und ja, ein Olympiasieg lässt sich wiederholen. Und das ist jetzt das Ziel! Bis dahin geht es darum, auf einem hohen Leistungsniveau zu bleiben, sodass ich immer in der Weltspitze dabei bin.

Ist es schwierig, über Jahre auf einem hohen sportlichen Niveau zu bleiben und sich immer wieder zu Spitzenleistung – auch im Training – zu motivieren?

Bei vielen ist es tatsächlich so, dass sie mal ein Ding raushauen und es ihnen schwerfällt, es zu wiederholen. Aber es ist eben auch die Kunst, gut und interessant zu bleiben – auch fürs Fernsehen und die Medien. Das braucht es aber auch, um den Kanusport voranzubringen.

Wie hilft Ihnen das Potsdamer Umfeld, die Kanu-Hochburg Deutschlands wie es immer heißt, auf konstant hohem Niveau zu sein?

Zum einen haben wir hier einen super modernen Stützpunkt mit allem, was wir brauchen. Dann habe ich den erfolgreichsten Trainer, den es derzeit in Deutschland gibt. Eine ganz starke Trainingsgruppe, was sehr wichtig ist – wir sind drei Olympiasieger, Weltmeister, U23-Europameister. Bei der Weltmeisterschaft jetzt in Duisburg waren neun Potsdamer Kanuten dabei, die fast alle mit einer Medaille nach Hause gegangen sind. Das ist ja für so einen Verein sensationell.

Haben Sie in Potsdam ein Lieblingspaddelrevier?

Am liebsten fahren wir Richtung Caputh. Wenn der Wind günstig steht oder es windstill ist, ist es eine sehr schöne Runde. Es gibt in Potsdam viele schöne Strecken. Das macht schon Spaß und ist nicht so langweilig wie in einem Hafenbecken.

Was ist die längste Strecke, die Sie im Training paddeln?

Das Längste, was ich bislang im Training gemacht habe, war eine Runde um Potsdam im Canadier-Achter. Da waren wir schon lange unterwegs. Das sind so um die 35 Kilometer.

Im Achter! Das ist nicht leicht, oder?

Genau. Das Boot an sich ist schon schwer. Und dann noch acht Leute, da merkt man schon, wenn sich da einer ausruht.

Sie sind jetzt Weltmeister im Einer-Canadier über fünf Kilometer geworden. Können Sie beschreiben, was Ihnen nach fünf Kilometern kniend in einem schmalen Boot weh tut?

Wenn man gewinnt, tut erstaunlicherweise nicht so viel weh. Da überwiegen die Glücksgefühle. Das Rennen ist natürlich verdammt lang. Und jetzt, ein paar Tage danach, schmerzt der Rücken ganz schön und mein Körper hat gesagt, dass er sich mit einer Erkältung erst mal krankmeldet. Man merkt, dass die Anspannung abfällt und der Körper sich seine Pause nimmt.

Sie sind in dem Fünf-Kilometer-Rennen fast drei Kilometer vornweg gepaddelt. Was ist anstrengender: das Kopfkino, dass die Verfolger einem am Heck sitzen, oder der körperliche Einsatz?

Ich denke, es ist beides. In Duisburg waren es nur kleine Runden, sodass ich die ganze Zeit das Publikum an meiner Seite hatte. Dann gab es viele Leinwände, auf die ich ständig schauen konnte. Aber man muss beides können: auf die Zähne beißen und im Kopf locker bleiben.

Wenn Sie die Wahl hätten, einen anderen Sportler ins Boot zu holen, wen würden Sie einladen?

Gute Frage. Irgendeinen mit viel Körperspannung. Wir haben mal mit dem Turner Fabian Hambüchen und dem Skifahrer Felix Neureuther in Kienbaum trainiert. Die sind dann mit ins Boot gestiegen und konnten das erstaunlicherweise recht gut. Aber die kennen eben ihren Körper sehr gut und bringen die nötige Körperspannung mit.

Was halten Sie von der Idee, Ihre Sportart in die Innenstädte zu bringen, wie es jetzt am Sonntag in Potsdam mit dem Kanalsprint passiert?

Ich denke, dass sich an der Attraktivität, wie unsere Sportart präsentiert wird, etwas ändern muss. Die Sprinter in den Focus zu rücken und eine nationale sowie internationale Sprintserie zu machen, wäre eine gute Sache. Und allen, die den Weg nicht raus an die Regattastrecken finden, kann man anbieten, dass der Sport zu ihnen kommt. In Potsdam finde ich das hochattraktiv: Die Zuschauer sind zwei Meter entfernt und die Sportler zum Greifen nah.

Aber an der Kleiderordnung wird sich nichts ändern?

(lacht) Da wird sich nichts ändern. Ich meine, die Kanuten sind alle super gebaut und sehen auch in Sportsachen gut aus. Die Überlegung, ob ich mich nackt ins Boot setzen muss, sodass wir mehr Zuschauer bekommen, war nur ein Gag.

Das Interview führte Peter Könnicke

Sebastian Brendel ist derzeit Deutschlands erfolgreichster Kanute. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London gewann der 25-jährige Potsdamer Gold über 1000 Meter im Canadier-Einer. Am vergangenen Wochenende holte er sich bei den Weltmeisterschaften den Titel über 5 000 Meter sowie Silber über 1000 Meter. Sein Weg zum Kanurennsport führte über Fußball, Karate und Leichtathletik zum KC Potsdam, wo er seit 2004 von Erfolgstrainer Ralph Welke trainiert wird.

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