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Verschiedene Deutungen. Während der Soziologe Wahied Wahdat-Hagh der Religionsschule in Qom militanten Messianismus unterstellt, attestieren die Potsdamer Religionswissenschaftler ihrem Kooperationspartner eine Offenheit für andere Denkweisen.

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Homepage: Auf dem Prüfstand

Das Institut für Religionswissenschaften der Uni Potsdam will seinen kritisierten iranischen Kooperationspartner überprüfen lassen

Der deutsch-iranische Soziologe Wahied Wahdat-Hagh wird nicht müde, seine Kritik an der Kooperation der Universität Potsdam mit der iranischen „Hochschule für Religionen und Denominationen“ in Qom (URD) zu untermauern. Mittlerweile hat er in der „Jungle World“ den vierten Teil einer Analyse der iranischen Schule veröffentlicht, die er für eine islamistische Kaderschule hält. Erkenntnisse über andere Religionen würden dort für militanten Messianismus gesammelt. Wahdat-Hagh will seine Intervention als Warnung verstehen, als Kenner der iranischen Verhältnisse könne er besser einschätzen, welche Hintergründe Dozenten und Vordenker der Qom-Uni hätten. Die iranische Universität sei ein ideologischer Arm der totalitären Diktatur der Islamischen Republik Iran.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy (EFD) und Mitglied des Antisemitismus-Gremiums des Bundestags, beobachtet das iranische Regime seit Jahrzehnten. Sein Vater war als Bahai-Mitglied 1982 im Iran ermordet worden, Wahdat-Hagh kennt die Fallstricke des iranischen Regimes. Den Potsdamer Religionswissenschaftlern unterstellt er keine unlauteren Ziele. Ihnen möge tatsächlich an einem Dialog der Religionen gelegen sein, sagt er. Doch die Uni Potsdam sei hier in eine Falle getappt. Die Ziele der islamistischen Diktatur des Irans seien nicht der Dialog. „Kaderschmieden wie die URD stehen im Dienst der Innen- und Außenpolitik, das Studium anderer Religionen dient der Verbreitung der Staatsdoktrin im Ausland und ihrer Durchsetzung im Iran“, schreibt Wahdat-Hagh. Und die ist bekanntlicherweise auch explizit antiisraelisch.

Das ließ die „Jerusalem Post“ wach werden, die Wahdat-Haghs Kritik an der Potsdamer Kooperation unter der Überschrift „Antisemitisches deutsch-iranisches Programm“ aufgriff. Entsprechende Kommentare blieben nicht aus, das „deutsche Gen“ sei wieder aktiv, war unter anderem auf der Homepage der israelischen Tageszeitung zu lesen. Der Bericht kam zur Unzeit, in Israel liegen die Nerven beim Thema Iran bekanntlich blank.

Am Religionswissenschaftlichen Institut der Universität Potsdam geht man bislang davon aus, dass sich die kooperierende Einrichtung der Qom-Uni der Erforschung und Lehre der lebenden Religionen, ihrer inneren Vielfalt und ihrer Spannungen widmet. Und dies in einer für den Iran ungewöhnlichen Offenheit für andere Denkweisen. Die Qom sei die einzige Universität im Iran, die es sich zum Programm gemacht hat, sich von einem neutralen Standpunkt aus anderen Religionen zu nähern, so Religionswissenschaftler Johann Evangelist Hafner, der die Kooperation koordiniert. Hafner nennt als Beispiel dafür das Vorhaben der iranischen Hochschule, das neue historisch-kritische Werk „Der Koran als Text der Spätantike“ der Arabistin Angelika Neuwirth ins Persische zu übersetzen. Selbst hochkarätige jüdische und christliche Literatur wie Küng, Magonet oder des als liberal bekannten ehemaligen Richters am obersten Gerichtshof Israels, Chaim Raphael Cohn, würden übersetzt.

Die Warnungen von Wahdat-Hagh könne er nicht widerlegen, sagt Hafner, der darauf verweist, dass der Kritiker weder Islam- noch Religionswissenschaftler ist. Es sei in Wahdat-Haghs Darstellungen unklar, inwieweit die Personen, die der Soziologe als Mentoren der URD anführt, Einfluss an dem Qom-Institut haben, mit dem man kooperiert. Hafner will nun den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um eine Einschätzung der iranischen Hochschule bitten. „Ich will mich nicht nur auf unsere überwiegend positiven Eindrücke verlassen, sondern auch eine Einschätzung einer Wissenschaftsorganisation haben, die sich international betätigt“, sagte er den PNN. Der DAAD unterhält ein Programm zur Unterstützung deutsch-iranischer Hochschulpartnerschaften. Zudem kooperiere auch ein Zentrum der Uni Paderborn bereits mit der Qom-Uni. Hafner will grundsätzlich an der Zusammenarbeit mit den Iranern festhalten, sofern er keine kritische Einschätzung vom DAAD erhält.

Wahdat-Haghs Schlussfolgerung, die iranische Uni suche den Dialog mit anderen Religionen nur, um zu erkennen, wo islamische Missionierung erfolgreich ansetzen könne, weist Hafner rundheraus zurück. Gegen diesen Vorwurf könne niemand argumentieren. „Das ist eine Unterstellung, die sich nicht belegen lässt“, meint Hafner, der Professor für Religionswissenschaft des Christentums ist. Er könne auch nicht wissen, was Vertreter anderer Religionen für Hintergedanken hätten. Zudem seien auch die Christen der Auffassung, dass ihre Religion die einzig wahre ist.

Hafner weiß auch, dass die Qom-Uni Teil des iranischen Universitätssystem ist und dass die Professoren fromme Schiiten sind: „Für sie ist es eine ständige Balance, sich wissenschaftlich mit Religion zu befassen, denn Qom ist ein Zentrum der schiitischen Theologie.“ Aber er habe bei den Treffen einen wissenschaftlich unverstellten Blick auf andere Religionen bemerkt. Auch hätten einige Dozenten dort Fellowships an der Harvard University oder Sabbaticals an der Gregoriana in Rom; ein Dozent spreche in wenigen Wochen an der Katholischen Akademie Berlin. Als Beispiel für die Offenheit nennt er einen Kongress zu „Figurationen des Bösen“ im September, an dem auch Vertreter der iranischen Uni anwesend sein werden. In einem Vortrag werde dabei der Holocaust als Symbol des Bösen beleuchtet. „Wenn die Wissenschaftler aus dem Iran tatsächlich so staatsdoktrinär wären, wie Wahdat-Hagh behauptet, würden sie sich dem nicht aussetzen“, meint Hafner.

Den Vorwurf des Antisemitismus, der der Potsdamer Uni nun indirekt gemacht werde, findet Hafner mehr als absurd. Er verweist darauf, dass man in Potsdam gerade dabei ist, die jüdische Theologie an der Hochschule neben den Jüdischen Studien zu verankern. „Es gibt keine Hochschule, die sich derzeit in Deutschland so sehr für den Aufbau der jüdischen Theologie und Jüdischen Studien einsetze, wie die Uni Potsdam“, sagt er. Das habe er auch der „Jerusalem Post“ erklärt, ohne dass es erwähnt worden wäre. Gerade die Doppelperspektive, die in Potsdam entstehen soll, sei bemerkenswert: einerseits eine Schule für Rabbinische Studien, an der die konfessionell gebundenen Berufungen arbeiten, daneben ein Institut für Religionswissenschaft und Jüdische Studien, in dem die religionsgeschichtlichen und komparatistischen Perspektiven versammelt sein sollen.

Diesen vergleichenden Ansatz möchte man auch für die anderen Religionen eröffnen. Da man keine Professuren für Islamwissenschaft oder außereuropäische Religionen habe, versuche das Institut gezielt, durch Exkursionen Anschauung zu importieren. Man suche beispielsweise die lebenden Religionen Indiens auf oder eben auch ein islamisch geprägtes Land wie den Iran. Der vergleichende Blick der Religionswissenschaften sei dabei das Ziel. So betrachte man beispielsweise das Motiv des Messias oder des Teufels in verschiedenen Religionen. „Das ist der Unterschied zwischen den Religionswissenschaften und der reinen Theologie“, erklärt Hafner.

Wahdat-Hagh nennt als Leitfiguren der Forschung der Qom-Universität unter anderem Ayatollah Khomeini, Ayatollah Khamenei sowie Großayatollah Makarem Schirasi. „Die antiisraelischen Vernichtungsfantasien von Khomeini und Khamenei sind vielen hinlänglich bekannt“, so der Wissenschaftler. Großayatollah Makarem Schirasi habe in einer Fatwa den Warenhandel mit den USA und mit Israel verboten. Wahdat-Hagh zitiert ihn wie folgt: „Das zionistische Regime ist ein Grundstoff der Fäulnis und des Verderbens in unserem Zeitalter und kann mit Sicherheit vernichtet werden.”

In seiner letzten Veröffentlichung zu dem Thema schreibt Wahdat-Hagh auch etwas von Kontakten der URD zur ultraorthodoxen jüdischen Gruppierung Neturei Karta, die aus religiösen Gründen den Zionismus und den Staat Israel vehement ablehnt. Führende Vertreter dieser Gruppe hatten 2006 an der von der iranischen Regierung organisierten, weltweit umstrittenen Holocaust-Konferenz in Teheran teilgenommen. Wahdat-Hagh zitiert auch aus einem Text der wissenschaftlichen Abteilung der URD, in dem vor christlichem und jüdischem Zionismus gewarnt werde. Hafner hält dem entgegen, dass der ehemalige Kulturbeauftragte der jüdischen Gemeinde Teheran, selbst Jude, an der URD Kurse zum Judentum gibt.

Wahdat-Hagh wirft schließlich die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn die Potsdamer Universität einige der Tausenden iranischen Abiturienten und Studenten, die in der totalitären Diktatur nicht studieren dürfen, nach Potsdam holt, um ein Zeichen zu setzen. Für den Potsdamer Religionswissenschaftler Hafner ist das keine Frage: „Wenn sich jemand bei uns mit einem Forschungsthema bewirbt, das in unsere Forschungsgebiete passt und wir die Kompetenz haben, das zu betreuen, dann wird das genauso begutachtet wie die vier Anträge aus Qom, von denen zwei als akademisch interessant angenommen wurden.“

Die Universitätsleitung wollte bislang zu der Kooperation keine offizielle Stellung beziehen, da es sich um eine Kooperation zwischen Wissenschaftlern handelt und nicht um einen Universitäts- oder Fakultätsvertrag.

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