zum Hauptinhalt
Sichtbare Obdachlosigkeit in Potsdam auf der Langen Brücke.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Armut trifft auf angespannten Wohnungsmarkt: Deutlich mehr Menschen leben auf der Straße in Brandenburg und Potsdam

Die Arbeiterwohlfahrt appelliert an die Politik: Wohnungslose brauchen mehr Hilfe und mehr günstige Wohnungen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) nennt ein langfristiges Ziel.

Die Zahl der Wohnungslosen in Brandenburg und Potsdam ist in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Nach Angaben der Arbeiterwohlfahrt Awo gibt es aktuell 3290 Wohnungslose im Land. Im Vorjahr waren es noch 1295, davon 615 in Potsdam. Bundesweit hätten sich die Zahlen verdoppelt. Die Awo hat dafür Angaben des Statistischen Bundesamtes augewertet.

Am bundesweiten Tag der Obdachlosigkeit am Montag forderte der Awo-Bezirksverband mehr sozialen Wohnungsbau in Potsdam. Alle andere Wohnungsbauten würden den angespannten Wohnungsmarkt zwar lindern, seien aber keine Hilfe gegen die Wohnungslosigkeit, sagt die Awo-Vorstandsvorsitzende Angela Schweers. In Potsdam treffe wachsende Armut auf einen immer angespannteren Wohnungsmarkt. „Wir können als Awo nicht helfen, weil es die Wohnungen, die wir für Bedürftige benötigen, nicht gibt“, sagt Schweers.

Sie sei deshalb auch für den Erhalt des Staudenhofs, um weiterhin günstigen Wohnraum anbieten zu können. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Pete Heuer lobte dagegen, dass im künftigen Stadtquartier, das anstelle des Staudenhofs und in „bester und teuerster Lage“ entsteht, „sogar weit mehr als 50 Prozent Sozialwohnungen“ gebaut würden. Dies habe Potsdam anderen Städten voraus.

Die Ursache für die hohe Zahl der Wohnungslosen liege auch an „verdrängten Hilfen“ in anderen Landkreisen. „Da gibt es manchmal nur die Fahrkarte nach Potsdam“, sagt Awo-Referentin Katja Fisch. Immerhin verfügt Potsdam über rund 250 Unterbringungsmöglichkeiten. In der Notunterkunft der Awo am Lerchensteig stehen die meisten Betten in Einzelzimmern. Das sei leider kein Standard, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), die zum Awo-Infostand am Otto-Braun-Platz gekommen war. „Es gibt keine Standards für Notunterkünfte. Und das sieht man denen zum Teil auch an.“ Mehrbettzimmer in Notunterkünften seien mehrheitlich die Regel, bestätigt Katja Fisch.

Wachsendes Problem Wohnungslosigkeit

Neben der Unterbringung wiederholt die Awo mehrfach die Forderung nach einem digitalen Zugang für Wohnungslose. Es müsse möglich sein, dass Menschen ohne Wohnung und Geld kostenlos ins Internet kämen, um sich beispielsweise anzumelden oder Papiere auszudrucken. Generell müsse es möglich sein, dass Wohnungslose eine digitale Identität hätten, um nicht immer alle wichtigen Papiere mit sich rumschleppen zu müssen, fordert Angela Schweers. Der Forderung schließt sich die Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Isabell Vandré (Linke) an. Denn die Wohnungslosigkeit werde ein wachsendes Problem bleiben.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erläuterte den nationalen Aktionsplan gegen Obdachlosigkeit.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erläuterte den nationalen Aktionsplan gegen Obdachlosigkeit.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Bei der Unterbringung pflegebedürftiger Alkoholiker, die aus der Obdachlosigkeit kommen, sind wir grandios gescheitert.

Klara Geywitz (SPD), Bundesbauministerin

Immerhin habe die frühere Bundesregierung erkannt, dass Wohnungslosigkeit nicht allein ein „kommunales Problem“ sei. Seit 2021 wird dazu eine Statistik geführt. Bis 2030 solle die Obdachlosigkeit in Deutschland überwunden werden, so das Ziel der Ampel-Koalition, erklärt Geywitz.

Ein nationaler Aktionsplan setzte sich zum Erreichen dieses Ziels jedes Jahr eine neue Aufgabe. Dabei gebe es viel zu tun, beispielsweise die Wiedereingliederung ehemals Obdachloser in das Krankenversicherungssystem. „Bei der Unterbringung pflegebedürftiger Alkoholiker, die aus der Obdachlosigkeit kommen, sind wir grandios gescheitert“, gesteht Geywitz ein. Die Wohnungssuche für ehemalige Obdachlose stehe zudem erst am Ende einer langen Kette von Aufgaben, bei denen die Awo helfend zur Seite steht. Es geht zum Beispiel um Entzug und Entschuldung.

Bevor es zur Wohnungslosigkeit kommt, würde die kommunale Pro Potsdam „bis zur letzten Sekunde“ Angebote machen, um die Räumung zu vermeiden, heißt es seitens der Stadt Potsdam. Auch Obdachlosen, die auf der Straße leben, würden Angebote gemacht. Dennoch kam es Ende August nach Beschwerden von Anwohnern zu Räumungen von zwei Lagerstätten in Bornim und am Bassinplatz, an denen Obdachlose übernachtet hatten. Eine Statistik zu solchen Einsätzen liege nicht vor. Ab 2023 würden die Einsätze des Ordnungsamtes aber dokumentiert, „weil der Sachverhalt Obdachlosigkeit einen nicht unwesentlichen Anteil der Arbeitszeit der Mitarbeitenden des Ordnungsamtes in Anspruch genommen hat“, sagte eine Stadtsprecherin.

Etwa 100 Obdachlose würden auf den Straßen Potsdams leben. Die Stadt schätze ein, dass diese Zahl nicht gestiegen sei, so die Sprecherin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false