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Kindergeschrei ist Zukunftsmusik. Brandenburg hat den schlechtesten Personalschlüssel bundesweit in den Kindergärten. Da das Land, dass 25 Prozent der Personalkosten trägt, nichts ändern will, versucht Potsdam das Projekt im Alleingang.

© Marcus Brandt/ddp

Von Nicola Klusemann: Alleingang kostet 8,7 Millionen

Für eine bessere Betreuung in Potsdamer Kindergärten müssten 264 Erzieherinnen eingestellt werden

Ein Kraftakt – rund 8,7 Millionen Euro zusätzlich müsste die Stadt Potsdam jährlich aufbringen, um auf einen Schlag eine bessere Betreuung in den 91 Kindertagesstätten zu sichern. Das sagte Elona Müller, Jugendbeigeordnete der Stadt, gegenüber den PNN. Derzeit kümmert sich eine Erzieherin durchschnittlich um sieben Kinder zwischen Null und drei Jahren beziehungsweise 13 Kinder von drei bis sechs Jahren. Mit diesem Personalschlüssel in Kindertagesstätten bildet das Land Brandenburg das traurige Schlusslicht im Vergleich aller Bundesländer. Ziel ist es, deutlich mehr Personal einzustellen – Potsdamer Kommunalpolitiker fordern den Personalausbau notfalls im Alleingang, also ohne den 25-Prozent-Anteil des Landes, zu beginnen.

Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) hatte in der Vergangenheit – zuletzt bei einem Besuch der Kita Friedenshaus in Trägerschaft des Diakonischen Werks – seinen Willen bekundet, die Personalausstattung in Kindergärten zu verbessern. „Allerdings nicht mehr in diesem Jahr“, sagte Ministeriumssprecher Stephan Breiding. Das Land habe einen Doppelhaushalt für 2008 und 2009 beschlossen. Es wäre fatal, wenn jetzt ein Ressort das Paket wieder aufschnürte, erklärte Breiding. Darum habe Rupprecht in Aussicht gestellt, die nötigen Finanzmittel für einen verbesserten Betreuungsschlüssel frühestens mit dem Landeshaushalt 2010 zur Verfügung zu stellen. Im Herbst dieses Jahres wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Danach könnte Rupprecht nicht mehr Bildungsminister sein.

Das dauert den Stadtverordneten von Die Linke zu lange. Sie fordern bereits zu Beginn des nächsten Kita-Jahres im September eine verbesserte Betreuung in den Kindertagesstätten. CDU, SPD, FDP undFamilienpartei wollen dagegen eine stufenweise Anhebung des Betreuungsschlüssels auf Bundesschnitt. Aus fachlicher Sicht sei diese Aufstockung an Personal dringend notwendig, zumal die Erzieherinnen mit immer neuen wichtigen Aufgaben wie Sprachstandsermittlung und Sprachförderung betraut würden, sagte Elona Müller. „Aber selbst wenn wir uns den Kostenaufwand im Sinne der Kinder leisten wollen“, so die Beigeordnete, sei diese Kraftanstrengung „das falsche Signal ans Land.“ Die über 90 Kindertagesstätten in der Landeshauptstadt sind alle in freier Trägerschaft. Das Jugendamt beteiligt sich mit 75 Prozent – derzeit 36 Millionen Euro pro Jahr – an den Personalkosten. Das Land übernimmt den Rest.

Allein jährlich 4,63 Millionen Euro seien in Potsdam nötig, um das Betreuungsverhältnis für die Null- bis Dreijährigen von bisher 1:7 auf 1:5 anzuheben. Derzeit seien in Potsdam 2218 Krippenplätze belegt, erklärte die Beigeordnete. Um den Betreuungsschlüssel zu verbessern, brauche Potsdam allein für den Krippenbereich 140 Erzieherinnen mehr. Ähnlich sieht es im Kindergartenbereich aus. Für die verbesserte Betreuung der derzeit 4495 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren müssten 124 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden. Finanzaufwand: 4,82 Millionen Euro.

Potsdams Sozialbeigeordnete hatte im vergangenen Jahr in zwei persönlichen Gesprächen versucht, Rupprecht doch noch umzustimmen. „Wir schlugen zum Beispiel vor, schrittweise vorzugehen und zunächst nur dort das Zahlenverhältnis zwischen Kindern und Erzieher anzuheben, wo ein besonders hoher Bedarf an intensiver Betreuung vorliegt. So gebe es Einrichtungen in Potsdam, in denen jedes zweite Kind einen nachweislich erhöhten Förderbedarf habe, erklärte Müller. Damit auch diese Kinder bei Schuleintritt die gleichen Startchancen hätte, müsse intensiv mit ihnen gearbeitet werden. Die Beigeordnete schätzt, dass etwa ein Viertel aller Kitas von der Problematik betroffen seien. „Statten wir diese mit mehr Kräften aus, kostet das etwa zwei Millionen Euro“, rechnet Elona Müller vor. Dieser Aufwand sollte mindestens machbar sein, so die Beigeordnete. Bislang allerdings bleibt der Bildungsminister hart.

Nicola Klusemann

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