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Die Straße erfahren. Rund 25 Radler protestierten am Freitagabend.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Kreisverkehr zugekorkt

Radfahrer trafen sich unangemeldet zum Protest

Innenstadt - Mountainbikes, BMX-Räder und sogar eine Rikscha – rund 25 Potsdamer mit unterschiedlichsten Drahteseln boten am Freitagabend einen ungewohnten Anblick in der Innenstadt: Der laut klingelnde Korso belegte eine ganze Fahrspur der Hegelallee, mehrere Autos fuhren notgedrungen mit etwa 15 Stundenkilometern hinterher. „Critical Mass“ – kritische Masse – nennt sich diese Aktion, mit der sich die Radler die Straße für einen Moment zurückerobern.

Ähnliche Aktionen gibt es schon seit 1992. Sie finden weltweit in vielen Städten statt, zum Teil mit Tausenden Teilnehmern. In Potsdam ist es das vierte Mal. „Wir sehen das Fahrrad als gleichberechtigt zum Auto“, sagte Teilnehmer Jens, der seinen vollen Namen nicht nennen wollte.

Dabei rief niemand Slogans oder hält Plakate hoch – die Radler verstehen sich nicht als Demonstration, sondern eher als spontan zusammengekommenet Flashmob, weshalb es auch keine offizielle Anmeldung gab. Rechtlich gesehen sind sie auf der sicheren Seite, denn laut Straßenverkehrsordnung gelten geschlossene Verbände ab 16 Radfahrern als ein Fahrzeug, das eine ganze Spur belegen darf. „Wir nutzen immer nur eine Spur, damit der Verkehr nicht ernsthaft behindert wird“, erklärte Jens.

Der Weg führte über die Innenstadt Richtung Hauptbahnhof. Radler, die sonst nur den Fahrbahnrand zur Verfügung haben, gondelten gemütlich mitten auf der Straße – für viele ein ungewohntes, erhebendes Gefühl, die Stimmung war ausgelassen. Durch Zurufe wie „Langsamer!“ wurde versucht, keine Lücken aufreißen zu lassen. Einen Anführer gab es nicht, die Route ergab sich spontan.

Am Kreisverkehr unweit des Bahnhofs Babelsberg schwenkten die Teilnehmer in den Kreisel ein und drehten laut klingelnd drei Ehrenrunden – zahlreiche Autofahrer mussten wohl oder übel an den Einfahrten warten, wo sich jeweils ein Radfahrer postiert hatte, um zu vermeiden, dass doch ein Auto in den Kreisverkehr fährt - „Korken“ nennt sich diese Methode im Critical-Mass-Jargon.

Viele motorisierte Verkehrsteilnehmer nahmen das Spektakel mehr oder weniger hin. Einige reagierten verärgert, hupten und unternahmen teils riskante Überholmanöver am meterlangen Verband vorbei – trotz Verkehr auf der Gegenseite. Teilnehmer Paul, der ebenfalls anonym bleiben möchte, findet nicht, dass das gefährliche Situationen provoziere: „Wer meint, überholen zu müssen, geht das Risiko selbst ein.“ Jens betont allerdings: „Man muss natürlich auch Rücksicht auf die Autofahrer nehmen, die die Critical Mass noch nicht kennen.“ Letzlich, so Paul, gehe es bei der ganzen Aktion schlicht um Toleranz: „Die Straßen gehören auch uns.“ Erik Wenk

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