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Kindeswohlgefährdung in Potsdam: Doppelt so viele Fälle

2014 meldete die Stadt 50 akute Fälle. Im Jahr zuvor waren es 24. Gemessen an der Zahl der Hinweise ein Plus von fünf Prozent

Von Matthias Matern

Die Zahl der Fälle von akuter Kindeswohlgefährdung in Potsdam haben sich zuletzt mehr als verdoppelt. Das geht aus der aktuellen Erhebung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg hervor. Demnach stellte das Jugendamt der Stadt im vergangenen Jahr nach der Überprüfung entsprechender Meldungen von Schulen, Kitas und Ärzten bei 50 Kindern und Jugendlichen eine Vernachlässigung oder die Anwendung körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt fest. Im Jahr 2013 kam das Amt lediglich in 24 Fällen zu diesem Ergebnis. Auch die Zahl der eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung des Kindeswohls stieg deutlich von 266 auf insgesamt 347 Verfahren.

Wie berichtet ist auch landesweit die Zahl der Verfahren deutlich gestiegen – um 29 Prozent. Die bei Weitem meisten Verfahren wurden demnach im Landkreis Oder-Spree eingeleitet, insgesamt 1237. Landesweit waren es im vergangenen Jahr 6258 Verfahren, im Jahr zuvor 4640. Die Zahl der Fälle, bei denen eine akute Gefährung festgestellt wurde, erhöhte sich entsprechend von 758 auf 962 Fälle. Erhoben werden die Zahl der Verfahren und deren Ergebnisse erst seit dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes im Jahr 2012. Das brandenburgische Jugendministerium erklärt die steigende Zahl an Verfahren auch mit der zunehmenden Routine der Mitarbeiter in den Jugendämtern mit der Gefahreneinschätzung, entsprechend häufiger würden Verfahren eingeleitet.

Die neuesten Zahlen des Statistikamtes belegen, dass dort, wo genauer hingeguckt wird, auch mehr Fälle von Gewalt gegen Kinder aufgedeckt werden. Im Landkreis Barnim, wo die Zahl der Verfahren von 478 auf 797 stieg, wurden 2014 sogar fast viermal so viele Fälle akuter Kindeswohlgefährdung festgestellt. Auch bundesweit hatte die Polizei 2014 einen Anstieg von Kindesmisshandlung registriert, laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) immerhin um fünf Prozent.

In Potsdam stieg der Anteil der festgestellten akuten Gefährdungen gemessen an der Zahl der Meldungen laut Stadt von neun auf 14 Prozent. Die größte Zunahme an Fällen gibt es laut der Erhebung des Statistikamtes vor allem in den Altersklassen der Sechs- bis Zehnjährigen und der Zehn- bis 18-Jährigen. Dort haben sich die Zahlen jeweils mehr als verdoppelt. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen waren es zuletzt 17 Fälle und bei den Zehn- bis 18-Jährigen 23 Fälle. Welcher Form der Gewalt die Betroffenen ausgesetzt waren, wird für die Kommunen nicht angegeben. Landesweit gab es vor allem einen Zuwachs bei körperlichen Misshandlungen und der Vernachlässigung. Die Zahl festgestellter sexueller Gewalt stieg um drei Fälle auf 44.

Die Meldungen einer vermuteten Gefährdung kamen in Potsdam im vergangenen Jahr am häufigsten von Bekannten oder Nachbarn sowie von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder von Gerichten (jeweils 70). Aus Schulen gingen 21 Meldungen ein, aus Kitas zwölf und von Ärzten, Hebammen und Krankenhäusern 20. 2013 lagen die Zahlen fast in allen Institutionen niedriger.

Den Anstieg führt die Stadt auf eine insgesamt gestiegene Sensibilisierung der Bevölkerung und der Fachkräfte, die mit Kindern in Kontakt stehen zurück – zum Beispiel in Schulen, Kitas, Nachbarschaften oder auch bei der Polizei. Dass das Jugendamt deutlich häufiger eine akute Kindeswohlgefährdung feststellt, sei dagegen „eine Folge der deutlicheren Beschäftigung der Fachkräfte im Jugendamt mit der Definition der akuten Kindeswohlgefährdungen, zum Beispiel durch Fortbildungen oder den Besuch von Fachtagungen“, heißt es auf PNN-Anfrage. Jugendamtschef Reinhold Tölke jedoch war für eine aktuelle Stellungnahme nicht zu erreichen.

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