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Die Eliteschule des Sports. Im Bildungsausschuss wurde der Umgang mit einem aktuellen Drogenvorfall kontrovers diskutiert.

© dpa

Landeshauptstadt: Kiffen zählt als Doping

Nach den Drogenvorwürfen an der Eliteschule des Sports hat der Bildungsausschuss kontrovers über den Fall diskutiert. Über die erteilten Schulverweise werde im Einzelfall entschieden, sagt der Schulrat

Die fünf Sportschüler, die im Zusammenhang mit Drogenvorwürfen von der Potsdamer Sportschule verwiesen werden sollen, bekommen vielleicht doch noch eine zweite Chance. Der zuständige Schulrat Eckhard Dörnbrack sagte am Dienstagabend im Bildungsausschuss, die Fälle sollen vom Schulamt in Brandenburg/Havel individuell bewertet werden. „Für einmal Kiffen wird niemand von der Schule fliegen“, so Dörnbrack. In die Verfahren seien Rechtsanwälte einbezogen. Es müsse unterschieden werden, ob die Schüler nur Konsumenten seien oder tatsächlich mit Drogen gehandelt hätten, hieß es weiter.

Wie berichtet hatte die Lehrerkonferenz der Elite-Schule des Sports am Luftschiffhafen Mitte November entschieden, die Schüler nach den Drogenvorwürfen an andere Schulen zu verweisen. Die minderjährigen Sportschüler waren Ende Oktober nahe der Schule beim Kiffen erwischt worden. Das Haschisch sollen sie von älteren Mitschülern erhalten haben.

Der Fall war vor Dörnbracks Erklärung im Bildungsausschuss kontrovers debattiert worden. Schulleiter Rüdiger Ziemer erklärte die Entscheidung für den Verweis unter anderem damit, dass an der Sportschule besondere Bestimmungen im Kampf gegen Doping gelten. Auch Cannabis stehe auf einer Verbotsliste mit leistungssteigernden Mitteln. Die Nationale Anti-Doping Agentur (Nada) kontrolliere bei den Schülern, ob Doping-Substanzen eingenommen würden. „Bisher gab es niemals einen positiven Test.“ Würde sich das ändern, wäre das eine „absolute Katastrophe“, gerade für den Ruf der Schule. Absolventen der Schule hatten zuletzt bei den Olympischen Spielen in London drei Gold- und eine Silbermedaille erkämpft.

Ziemer kritisierte die Aufarbeitung des Falls in einigen Medien. So habe eine Zeitung ein Foto von ihm und darüber einen brennenden Joint gedruckt, sagte der Schulleiter verärgert. „Mit so einer Art Journalismus“ sei ein erfolgreiches Schulsystem konfrontiert, bei dem seit mehr als 20 Jahren präventiv gegen Drogen gearbeitet werde. Doch bei 120 neuen Schülern pro Jahr, „normalen Kindern und Jugendlichen“, könnten Vorfälle wie der aktuelle nicht ausgeschlossen werden, so Ziemer.

Im Ausschuss erhielt Ziemer Rückendeckung. Schulrat Dörnbrack bescheinigte ihm einen professionellen Umgang mit dem Geschehen. Ein Problem aber seien die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten im Dreier-System der Schule, bei dem es verschiedene Träger für die Schule, den Bereich Sport und das zugehörige Wohnheim gibt. Auch der Linke-Bildungsexperte Stefan Wollenberg sagte, der Schule sei kein Vorwurf zu machen.

Kritisch äußerte sich Sandro Szilleweit von der Fraktion Die Andere: Kiffer dürften nicht einfach verwiesen werden, forderte er. Die Schule besitze einen pädagogischen Auftrag: „Das sind doch noch Kinder.“ Szilleweits Fraktion hat für die Stadtverordnetenversammlung am nächsten Mittwoch einen Antrag gestellt, wonach Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) beim Schulamt intervenieren soll, die Schulverweise gründlich zu überprüfen. Zur Begründung heißt es, jugendtypisches Verhalten werde in diesem Fall mit der höchstmöglichen Strafe geahndet. Schwer verständlich sei das auch, weil vor einem Jahr zwei Schüler, die zwei jüngere Mitschüler im Wohnheim der Schule gewaltsam genötigt haben sollen, anders als die Kiffer jetzt eine zweite Chance erhalten hätten. Im damaligen Fall ist laut einem Sprecher des Potsdamer Amtsgerichts inzwischen ein Täter-Opfer-Ausgleich erfolgreich beendet worden, nachdem Anklage gegen zwei Schüler wegen Nötigung und Körperverletzung erhoben wurde. Nach dem Ausgleich sei ein Verfahren eingestellt worden. Ein weiterer Ausgleich laufe noch. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt – vor allem, weil die Betreuer, denen sich die Opfer anvertrauten, nichts unternommen hatten.

Zur unterschiedlichen Vorgehensweise der Schule mit den beiden Fällen sagte Bildungsdezernentin Iris Jana Magdowski (CDU), in einer Sportschule würden wegen der Anti-Doping-Bestimmungen andere Regeln gelten als an normalen Schulen. Daher befinde sich die Schulleitung in einer schwierigen Situation beim Umgang mit dem Drogenvorfall. Ziemer nahm zu den verschiedenen Verfahrensweisen nicht direkt Stellung.

Am Tag nach der Debatte traf sich am Mittwoch eine Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung zum Thema Drogenprävention – unter anderem mit dabei Jugend- und Gesundheitsamt, Schulverwaltung, Polizei, Schul- und Elternbeirat, Schulamt sowie der Verein Chill Out. Wie Stadtsprecher Jan Brunzlow sagte, habe man sich darauf geeinigt, enger zusammenarbeiten zu wollen. Ein neues Suchtkonzept soll im März vorgestellt werden.

Auch der Potsdamer Gesundheitsgipfel widmet sich am heutigen Donnerstag von 9 bis 15.30 Uhr im Club 18 in der Pietschkerstraße 50 umfänglich dem Thema Sucht.

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